1869 – Ein Brief an den König

Heinrich Carl Wilhelm Bormann (1824 - 1894) - einer der letzten Fuhrherren Buntenbocks - Aufnahme um 1870

Heinrich Carl Wilhelm Bormann (1824 – 1894) – einer der letzten Fuhrherren Buntenbocks – Aufnahme um 1870

Brief der Buntenböcker und Clausthaler Fuhrherren an König Wilhelm I. von Preußen (1797 - 1888).

Brief der Buntenböcker und Clausthaler Fuhrherren an König Wilhelm I. von Preußen (1797 – 1888) – Buntenbock, den 25. November 1869.

Langet Verhalen maket marohe Pere“

(Sprichwort der Fuhrleute)

Buntenböcker Fuhrherren kämpfen Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts um ihre Privilegien – durch alle Instanzen hindurch. Ein Beitrag zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Harzes.

Von Dietrich Kreller

Einen entscheidenden Wendepunkt in der über 400jährigen Geschichte Buntenbocks markiert der Konflikt, der sich Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts zwischen den Buntenböcker Fuhrherren und den preußischen Behörden abgespielt hat. Er ist erhalten in Abschrift im Nachlass von Wilhelm Bormann (1824 – 1894), einem der Hauptakteure im Streit mit den Behörden und gibt Einblick in die Situation der Fuhrleute in dieser Umbruchzeit.

Das Fuhrwesen war mehr als nur ein „Nebenthema“ der Montanwirtschaft. Die „Fuhrherren“, wie sich nannten, hatten entscheidenden Anteil am Wohlstand des Harzes. Ohne ihre Dienstleistung wäre das Holz nicht zum Schacht und das Erz nicht zur Hütte gekommen.

Buntenbock ragt in der Geschichte des Harzer Fuhrwesens besonders hervor, denn hier lebten die Menschen von der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrundert hinein fast ausschließlich vom Fuhrgewerbe. Die Fuhrherrenhäuser im Ortskern und die vereinzelt noch vorhandenen Alltagsgegenstände sind Zeugnisse dieser Zeit.

Einst stolze Fuhrherren, die noch im 18. Jahrhundert behaupteten, so Lommatzsch, selbst der König müsse vor ihren Fuhren weichen, stehen sie jetzt „in allerunterthänigster Devotion“ vor ihrem neuen Herrscher in Berlin und seinen Beamten. Sie werden gewahr, dass Konzessionen, die ihnen jahrhundertelang ein einträgliches Einkommen gesichert hatten, nicht mehr gemacht werden.

Die Annexion von 1866 und ihre Folgen

Nach der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen im Jahr 1866 wurde am 29. März 1867 die Gewerbefreiheit in dem nun zur preußischen Provinz degradierten Gebiet eingeführt. Dieses Recht wurde auf das Gebiet des Norddeutschen Bundes ausgedehnt und nach und nach durchgesetzt. Ein Jahr später, am 17. März 1868 wurde ein Gesetz erlassen, „das die Aufhebung und Ablösung der ausschließlichen Gewerberechte auf eine neue Grundlage stellte“ (Mohr, 218ff.).

Zwar hatte König Wilhelm von Preußen in seiner feierlichen Proklamation vom 3. Oktober 1866 den Schutz des Privatrechts in der Provinz Hannover zugesichert, aber die alten „Concessionen“, die in den Jahrhunderten immer wieder gewährt wurden, wurden nicht wieder bestätigt. Die Fuhrleute verloren damit ihre privilegierte Stellung.

Die „Concession“ beinhaltete, dass der jeweilige Fuhrherr eine festgelegte Anzahl von Pferden für die zu leistenden Fuhren des Bergamts bereit halten musste. Im Gegenzug wurde ihm eine kontinuierliche Beschäftigung garantiert, ein Ausfall entschädigt und, so Lommatzsch, ab dem 19. Jahrhundert eine Altersversorgung zugestanden.

Ursache dieser Konzessionierungspolitik war die Vermeidung von Preistreiberei und Preisunterbietung unter den Fuhrleuten. Die Konzession für eine Anzahl von Pferden übertrug sich schließlich auf eine Konzession für einzelne Familien (vgl. Lommatzsch, Buntenbock S. 39).

Mit der Einführung der Gewerbefreiheit wurde die Ausschreibung von „Minus-Licitationen“, die Versteigerung von staatlichen Fuhraufträgen nach Mindestgebot zur Regel. Dieses Verfahren der Auftragsvergabe bedeutete, dass Bieter zu dem ausgeschriebenen Vergabeterminen ihre Angebote mündlich abgeben konnten. Ein Richtpreis der Auftraggeber wurde nicht genannt. Es gab mehrere Preisrunden, bei denen um den günstigsten Preis gefeilscht wurde. Der Bieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis erhielt in der Regel den Zuschlag. (vgl. Thoms, S. 171ff.).

Die Oberharzer Fuhrherren sahen sich infolgedessen einer Zahl von „Concurrenten“ gegenüber, Fuhrleute aus dem Harzer Umland, die sich an den Auktionen beteiligten – mit Erfolg. Carl Bormann nennt es ein „Luctations-Verfahren“, ein „Kampf-Verfahren“, bei dem der Mindestbietende die Konkurrenten durch einen entsprechenden „Kampfpreis“ das Rennen machte.

Carl Bormann: „Besonders Fuhrhalter aus dem Harzvorland Osterode, Oker, Langelsheim, Goslar, Harzgerode machten den eingesessenen Fuhrherren scharfe Concurrenz und für die Oberharzer Fuhrherren begann der Kampf um ihre Existenz.“

In dieser prekären Situation wendet sich eine Gruppe von Harzer Fuhrleuten an das Königlich Preußische Oberbergamt in Clausthal. Am Anfang sind es neun, zuletzt achtzehn – darunter auch die Witwe des Fuhrherren Hille, die nach dem Tod ihres Mannes den Betrieb weiterführt. Die Zahl der Bittsteller, oder „Supplicanten“, wie es im gehobenen Briefstil der Korrespondenz heißt, hat sich zuletzt verdoppelt. Zu dringlich ist das Anliegen, das die Fuhrleute „am Harz“, aus Buntenbock, Clausthal und Zellerfeld beharrlich und über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg verfolgen.

Wir haben keinen anderen Verdienst und fühlen uns gekränkt …“

Der Brief an das Oberbergamt, datiert auf den 5. Dezember 1868. Die Not, so schreiben die Fuhrleute, dränge sie zum Handeln, da die bei der letzten „Concessionierung“ angeschafften Pferde nicht zu beschäftigen und bezahlen seien. Bei den bisherigen Minus-Licitationen könnten sie nicht mithalten, da sie das Fuhrwesen nicht wie andere Mitbietende als Nebengeschäft, sondern als alleiniges Geschäft betrieben. Von dem Verdienst mussten Familie und Dienstpersonal ernährt werden.

Wir die concessionierte Fuhrleute des Oberharzes, jetzt noch 34 an der Zahl, sind mit unserem lieben Berg- und Hüttenwesen größtentheils schon lange Jahre verwachsen und die besondere Anhänglichkeit daran ist von unseren Vätern auf uns verlebt, so daß wir uns glücklich fühlen, wenn wir mit unserem lebendigen Capitale durch ununterbrochene Beschäftigung im Dienste unserer hochverehrten Behörde unser bescheidenes Auskommen finden. Wir haben keinen anderen Verdienst und fühlen uns gekränkt, wenn wir im Hinblick auf unsere Concession dennoch eine Zurücksetzung gegen fremde Concurrenten erfahren.“

Die Fuhrleute verweisen auf ihre Rechte, die sie durch die Konzessionen erworben hätten und die zu schützen „durch Allerhöchstes Wort“ zugesichert sei. Schließlich erhielten einige Fuhrleute und ihre Witwen Pensionen aus der herrschaftlichen Kasse. Darüber hinaus müsse es der Behörde doch „angenehm“ sein, für die Fuhren eine ständige Bereitschaft zur Verfügung zu haben. Bei den hohen Futterpreisen, den Kosten für die Knechte und die Erhaltung des Geschirrs werde man aber letztlich zugrunde gehen, sollte man nicht bei der Vergabe der herrschaftlichen Fuhren vorzugsweise berücksichtigt werden und zwar in dem Maße, dass eine dauerhafte Beschäftigung bei angemessenem Verdienst garantiert sei.

Die Antwort des Oberbergamts erfolgt zwei Monate später am 22. Januar 1869, adressiert an die Bergfuhrleute Adam Gärtner und Wilhelm Bormann. In einem einzigen langen Satz wird die Eingabe zurückgewiesen: „Auf die Eingabe vom 5. December 1868 müssen wir Ihnen erwidern, daß wir auf den Antrag, bei dem Vergeben aller herrschaftlichen Fuhren durch Minus-Licitationen lediglich die Oberharzer Fuhrleute zuzulassen, in keiner Weise eingehen können, daß wir es vielmehr den letzteren überlassen müssen, durch die Stellung billigster Forderungen in den Terminen sich ununterbrochen Beschäftigung zu sichern.“ Die Fuhrleute hätten sich also selbst darum zu kümmern, auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben.

 „Hier auf dem Harze wächst nichts“

Das konnten die Fuhrherren nicht auf sich sitzen lassen. Ein Vierteljahr später, am 16. April 1869 ergeht der Brief „die Verhältnisse der angestellten herrschaftlichen Fuhrleute und deren Fuhrbeschäftigung betreffend“, an das Königliche Ministerium des Handels zu Berlin. Der zuständige Minister ist Heinrich Friedrich Graf Itzenplitz (1799 – 1883), seit Dezember Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten in der Regierung Bismarck. Die Gruppe Oberharzer Fuhrleute ist mittlerweile auf 19 Unterzeichnende aus Buntenbock (10), Clausthal (8) und Zellerfeld (1) angewachsen. Vertreten werden sie jetzt durch Wilhelm Bormann aus Buntenbock und Heinrich Koch aus Zellerfeld.

Die Fuhrleute erinnern den Minister daran, dass ihre Väter und Vorfahren von dem damaligen Königlich-Hannoverschen Berg- und Forstamte zu Clausthal und mit hoher Genehmigung des Königlichen Finanzministeriums „nach dem Harze gerufen und behuf Besorgung der Herrschaftlichen Fuhren für Berg- und Forstproducte angestellt, mit einer bestimmten Anzahl von Pferden concessioniert worden“ seien.

Sie verweisen auf den „Quasi-Contract“ der vonseiten der Bergbehörde eingegangen worden sei durch Concessionierung, Gewährung von Altersabsicherungen und Ausgleichszahlungen bei Unfall und Verdienstausfall, vonseiten der Fuhrleute durch die Gewährleistung, „jeder Zeit, zu aller und jeder Fuhr so wie sie verlangt wurde“ zur Verfügung zu stehen. Den Richtigkeit würden die Akten der Königlich Hannoverschen Forstverwaltung am Harz bestätigen: Niemals sei eine Beteiligung fremder Fuhrleute am Harze zugelassen worden, sobald die konzessionierten vollauf beschäftigt waren. Zudem erinnern sie an die Zusicherung König Wilhelms, der am 3. Oktober 1866 feierlich den Schutz der Privatrechte zugesagt habe und folgern: „Zu unseren Privatrechten gehört nun aber gerade das Recht, volle Fuhrbeschäftigung bei den herrschaftlichen Werken und aus den Forsten zu fordern.“

Eindringlich schildern die Fuhrleute ihre Situation: „Wir Harzer Fuhrleute müssen jedes Korn Hafer, das wir füttern, mit baarem Gelde kaufen, jedes Bund Stroh, das wir zu Hecksel oder Streu gebrauchen, theuer bezahlen, da wir auch noch die Transportkosten vom Lande herauf für diese Artikel bezahlen müssen. Hier am Harze wächst nichts. Rademacher, Schmiede, Sattler, sind am Harze theurer, weil das Leben dort überhaupt theurer ist, und so kommt es denn, daß wir begreiflich mit auswärtigen Fuhrleuten überall nur dann concurrieren können, wenn wir auch täglich Beschäftigung haben. Die fremde Concurrenz nimmt uns die Fuhren weg, und uns bleibt nichts, wovon wir leben können, zumal diese nebenbei ihre Pferde auf ihrem Ackerland beschäftigen, dieselben zu diesem Zweck allein halten, und was sie nebenbei verdienen, in sonst freien Zeiten als Nebenverdienst erwerben.

Wir haben nun berechtigter Weise von Alters her das Recht erworben, die herrschaftlichen Fuhren am Harze mit Ausschluß jeder fremden Concurrenz allein zu verrichten, haben uns aber auch dahingegen für verpflichtet gehalten, Alle für Einen, und Einer für Alle, dafür einzustehen, daß die herrschaftlichen Fuhren, wie sie verlangt wurden, zu rechter Zeit prompt verrichtet wurden.

In der Hoffnung auf Rechtsschutz in ihrer prekären Situation bitten sie den Minister, „das Königliche Oberbergamt in Clausthal anzuweisen, mit völligem Ausschluss auswärtiger Concurrenten bei den Minuslicitationen lediglich die concessionierten Fuhrleute zuzulassen und zu berücksichtigen.“ Das diene beiderlei Interessen: „die Herrschaft wird besser bedient sein und wir werden unser Brod behalten.“

Die Antwort des Ministeriums erfolgt am 9. Juli 1869 und bestätigt das Urteil der Oberbergamts: Dem Antrag kann nicht stattgegeben werden. Ein Rechtsanspruch auf Beibehaltung der Konzessionen bestehe nicht. Allerdings werde das Königliche Oberbergamt zu Clausthal „darauf Bedacht nehmen, bei Vergebung der fiskalischen Fuhren ein solches Verfahren einschlagen, welches die Lage der concessionierten Fuhrleute möglichst berücksichtigt.“ Bei der Vergabe fiskalischer Fuhren soll es „bis auf Weiteres für bestimmte Fälle beschränkte Submissionen“ geben, also auf einen bestimmten Kreis von Personen beschränkte Ausschreibungen.

Bei Schlacken, Steinen und ähnlichen Frachten solle es allerdings bei den „freien Submissionen“ bleiben, sprich, der jetzt üblichen Vergabepraxis auf dem freien Markt.

Trotz dieser Berücksichtigung, so schließt der Bescheid des Handelsministerium, könne den Fuhrleuten „im Hinblick auf die in Aussicht genommene Eisenbahn überhaupt nur angerathen werden, bei Zeiten auf den Übergang zu einem anderen Gewerbe Bedacht zu nehmen.“

Nur vier Jahre später wird Itzenplitz als Minister seinen Hut nehmen. Auslöser ist die Aufdeckung seiner Unterstützung der hochspekulativen Finanzierungspraxis von Eisenbahnprojekten durch Bethel Henry Strousberg. Die Innerstebahn wird in den Jahren 1874 bis 1914 fertiggestellt.

Der Brief an den König

Mit diesem mehr als unverbindlichen Angebot des Ministeriums und der Empfehlung einer beruflichen Neuorientierung, geben sich die Fuhrleute nicht zufrieden. Am 25. November 1869 setzen sie Wilhelm I, König von Preußen ihr Anliegen ausführlich auseinander. In dem mehrseitigen „Immediats-Schreiben“, das direkt an den König, unter Umgehung des Behördenweges, ergeht, werden noch einmal alle bekannten Argumente aufgeführt.

Die Fuhrleute erinnern den Herrscher an seine Zusage vom 3. Oktober 1866 zum Schutz der Privatrechte. Sie verweisen auf die besondere Form der Konzessionierung, darauf, dass das Königlich Hannoversche Berg- und Forstamt zu Clausthal sie als „herrschaftliche Fuhrleute nicht blos die für den Berghaushalt erforderlichen Erz- Stein- Kohlen- und Holzmaterialien Fuhren, auch Eisen- und Factoreien und Berg-Handlungsniederlagen, sondern auch die Forstmaterialienfuhren zu besorgen“ bestellt habe.

Sie führen den Vorteil der Planungssicherheit für alle Beteiligten an und heben die niedrigen Kosten hervor. Sie erinnern an die isolierte Lage des Harzes und die Unmöglichkeit, dort einen Nebenverdienst zu ergreifen. Eine berufliche Neuorientierung sei im Harz so gut wie aussichtslos. Ein Neuanfang im „großen preußischen Staate“ aufgrund der bescheidenen Vermögensverhältnisse, des Alters und der „Unkenntnis anderer Verhältnisse und anderer Lagen“ unmöglich. Die Häuser mit ihren Ställen, Scheunen und Böden seien als Privathäuser untauglich. Die Wiesen nur unter Wert zu verkaufen. Fuhrleute hingegen werden im Harz immer gebraucht.

Durch die „Einrichtung der Verwaltung nach preußischem Muster“, bilanzieren die Fuhrleute , habe sich ihre wirtschaftliche Situation zunehmend verschlechtert. Der Wettbewerb führe zu Unterbeschäftigung und Verdienstausfall und sei letztlich unlauter. Denn die Fuhren würden jetzt nicht mehr zentral durch den Forst-Inspections-Hof, sondern durch die Inspektionshöfe der verschiedenen Werke vergeben. Eine gleichmäßige Verteilung sei nicht mehr möglich. Einzelne unberechtigte Fuhrleute werden bevorzugt.

Doch werde die Privatisierung und damit die Beschäftigung unerfahrener Fuhrleute den Preis infolge von Zeitverlust bei extremen Wetterlagen letztlich in die Höhe treiben. Die Werke, so die Fuhrleute, werden „noch einmal in bittere Verlegenheit gerathen .., wenn der ständige Fuhrwerksbetrieb am Harze aufgehoben werden sollte, und es an Leuten fehlen wird, welche verpflichtet sind, zu jeder Zeit den Werken mit ihren Fuhrwerken aufzuwarten.“

Hauptargument aber ist das besondere Anstellungsverhältnis, dass durch die Konzessionierung gegeben sei: „Ungeachtet dieses Ausdrucks, Concession und Concessionieren, war darunter aber nie eine große gewerbliche Concession verstanden, denn die Behörde, welche gewerbliche Concessionen zu vergeben hatte, ist nie das Königliche Berg- und Forst-Amt gewesen, sondern es wurde mit der Concession dem angestelltten Fuhrmanne die Zusicherung ertheilt, daß ihm für diejenige Anzahl Pferde, auf welche er concessioniert worden, tägliche Fuhrbeschäftigung zugesichert werde.“ Die Fuhrleute weisen sich so quasi als Angestellte der Behörde aus, nicht aber als selbständige Gewerbetreibende. Denn die Königlich Hannoversche Verwaltungsbehörde habe bei Aufgabe von Konzessionen mit Zustimmung des Betroffenen eine Kompensation in Form einer Pension auf Lebenszeit gezahlt, die auf die Witwe im Todesfall überging, also den Fuhrmann versorgte. Oder sie habe ihn anderweitig in der Verwaltung eingesetzt. Eine Reihe von Personen wird aufgezählt, die durch Pensionen oder anderweitige Beschäftigung in den vergangenen 70 Jahren versorgt worden sind.

Fazit der Oberharzer Fuhrleute: „Wenn dies Verhältnis aber existierte so glauben wir ein wohlerworbenes Privatrecht auf Ausführung aller bei der Allergnädigsten Herrschaft vorkommenden Fuhren zu haben und glauben deshalb berechtigt zu sein, sowohl Betrauung mit allen Fuhren als auch beim Aufhören der Furbeschäftigung Pensionirung erbitten zu dürfen.“

Die Antwort

Die Antwort erfolgte gut sieben Monate später, mit Datum vom 22. Juli 1870 erneut durch das Oberbergamt. Berghauptmann Ernst Hermann Ottiliae (1821-1904), erster Berghauptmann des Königlich Preußischen Oberbergamts und seit zwei Jahren im Amt, antwortet den Fuhrleuten knapp: „Im höheren Auftrag haben wir Ihnen auf Ihre an des Königs Majestät gerichtete Immediats-Eingabe vom 25. November v. Js. zu eröffnen, daß wenn auch ein Ihnen zustehendes Recht auf Arbeit oder Pension nicht anerkannt werden kann, doch demnächst versucht werden soll, durch einzuleitende Verhandlungen die sogenannte Pensionirung eines Theiles der Bergfuhrleute nach Maßgabe der hergebrachten Grundsätze herbeizuführen.“

Mit diesem Gnadenakt wurde auch das Berufsmodell „Oberharzer Fuhrherr“ endgültig in Pension geschickt. Wilhelm Bormanns Sohn Christian führte das Fuhrunternehmen noch bis zum Anfang des 20. Jahrhundert im kleineren Maßstab fort. Der jüngere Sohn Carl besuchte die Bergschule und wurde Pochsteiger in der Aufbereitung auf der Bremerhöhe.

Im Eingangsbereich des Bormannshauses aber hing bis zu seiner Veräußerung eine gußeiserne Medaille von Georg V. von Hannover.

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Georg V., König von Hannover (1819 – 1878), Medaillon, Gusseisen, 24 cm D., Entwurf Heinrich Friedrich Brehmer, ehem. Inventar Bormannhaus Buntenbock, Bormann Archiv Ottensen.

Literatur:

Bartels, Christoph; Industrialisierung im Oberharzer Bergbau 1750 – 1913, in: Pierenkämper, Toni; Die Industrialisierung Europäischer Montanregionen Im 19. Jahrhundert, Stuttgart 2002.

Carl Bormann; Bergfuhrwesen im Oberharz, Schreiben an H. Morich vom 3.1.1941 in seinem Nachlass entdeckt v. A. Vasel, März 1977; erschienen in Unser Harz, Heft 3/1978, S. 56ff..

Dennert, Herbert; Bergbau und Hüttenwesen im Harz : vom 16. bis zum 19. Jahrhundert dargestellt in Lebensbildern führender Persönlichkeiten, Clausthal-Zellerfeld 1986.

Griep, Hans-Günter; Das Bürgerhaus der Oberharzer Bergstädte. Tübingen 1975.

Humm, Albert; Aus längst vergangenen Tagen Band I. Clausthal-Zellerfeld 1978.

Höhlein, Luise, geb. Bormann,Tochter von Carl Bormann (1907 – 1993) überlieferte das Sprichwort Buntenböcker Fuhrherren im „Calenberger Platt“: „Langet Verhalen maket marohe Pere“, übersetzt: „Langes Verschnaufen macht die Pferde krank“.

Lommatzsch, Herbert; Der Oberharz im Spiegel der Jahrhunderte, 3. erw. Aufl., Clausthal-Zellerfeld 1972

ders.; Luftkurort Buntenbock Oberharz – Ein Geschichtlicher Abriss, Wanderwege, Ausflugsziele, Clausthal-Zellerfeld 1957

Mohr, Daniel; Auseindersetzung um Gewerbereformen und um die Einführung der Gewerbefreiheit im Königreich Hannover, Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Georg – August – Universität zu Göttingen, 2001.

Thoms, Ulrike; Anstaltskost im Rationalisierungsprozess – Die Ernährung in Krankenhäusern und Gefängnissen im 18. und 19. Jahrhundert, MedGG Beiheft 23, Stuttgart 2005.

Vasel, Anneliese; Wie wohlhabend war ein Buntenbocker Fuhrherr?; HBK 1988; S.64-66.

dies., Wenn Buntenbocker Fuhrherren starben führten oft die Witwen den Betrieb weiter -Dorothea Catharina Bormann – Anna Dorothea Thiele>; 1980; S.70-71.

Trotz vereinzelter Ansätze, namentlich bei Carl Bormann, Herbert Lommatzsch und Anneliese Vasel, fehlt es immer noch an einer Gesamtdarstellung und einer entsprechenden Dokumentation, die die Bedeutung des Fuhrwesens für Buntenbock und den gesamten Harzkreis würdigt. Ich bin dankbar für weitere Hinweise zum Thema „Fuhrwesen im Harz“ in Texten, Dokumenten oder Artefakten und freue mich über Informationen und Zuschriften.

Bilddaten:

Wilhelm Bormann, Portrait, Atelier Ph. Peters und Söhne, Hildesheim um 1870, Privat.

n.n.; Fuhrleute – Köhlerhütte, 1889, Privat.

Immediatsschreiben an Wilhelm I, König von Preußen, 25.11.1869, Seite 1, Kopie V., Privat.

Anm.: Der Artikel „Ein Brief an den König“ erschien im aktuellen Allgemeinen Harz-Berg-Kalender 2013, Clausthal-Zellerfeld 2012, S.83 ff..

 

 

1889 – ein aufregendes Jahr

1889 – ein aufregendes Jahr: Der Eiffelturm ragt pünktlich zur Weltausstellung in den Pariser Himmel. Mit seinen 324 Meter ü NN ist der Koloss aus Stahl zu diesem Zeitpunkt das höchste Gebäude der Welt. Zwei Jahre zuvor startet das erste moderne Automobil, konstruiert von Carl Benz, in Mannheim. Die Eisenbahn hat bereits 1877 die Oberharzer Bergstädte Clausthal und Zellerfeld erreicht.

Die Chemiker Ludwig Mond und Charles Langer prägen 1889 den Begriff „Brennstoffzelle“ für die zukunftsweisende Wandlung von chemischer in elektrische Energie. Im selben Jahr entwickelte der Amerikaner George Eastman den ersten Rollfilm und ermöglicht so, mehrere Bilder hintereinander zu machen.

In diesem Jahr entsteht irgendwo im Oberharz auf einem Hai, einer grasbewachsenen Rodungsfläche, eine Fotografie. Der Fotograf ist dafür eigens in den Wald gekommen und hat seine Kamera aufgebaut. Vermutlich arbeitet er noch mit dem üblichen aufwändigen Verfahren der Belichtung von mit lichtempfindlichen Material beschichteten Glasplatten.

Der Fotograf arrangiert die Personen und Dinge, die er darstellen will, zu einem Gesamtbild. Im Vordergrund steht die Köhlerhütte. Zwei Kinder sitzen angelehnt an der grob aus Holzstämmen und Rinde gebauten Köte. Während der Sommermonate bietet sie der Familie Unterkunft.

Eine Kiepenfrau wartet konzentriert und ein bisschen ungeduldig darauf, dass das Bild im Kasten ist. Offenbar hat sie im Korb auf ihrem Rücken Waren zur entlegenen Köhlerei gebracht. Im Hintergrund qualmt der Meiler. Der Köhler steht in schwarzer Tracht vor dem sorgfältig geschichteten und während der Verkohlung Tag und Nacht beaufsichtigten Kegel aus Holzscheiten. Jetzt ist der Meiler fast völlig ausgeladen. Die Holzkohle ist bereit zum Abtransport.

Drei Fuhrleute sind bereit, die mühsam gewonnene Holzkohle mit ihren zweirädrigen Karren zu den Hüttenorten im Harzer Umland zu transportieren. Sie tragen die typische Tracht: Blauer Kittel, Manchesterhosen und auf dem Kopf den Schlapphut.

Ein junger Mann sitzt rechts im Bild auf einer Art schmaler Bank, möglicherweise fertigt er Schindeln aus Fichtenholz für die typische Außenverkleidung der Harzer Häuser.

Ganz vorn haben sich zwei Männer dekorativ ins Gras gelegt. Vermutlich sind sie auf den Fototermin hin oder nur zufällig vorbei gekommen: Sommerfrischler, die im Harz Erholung suchen.

Die Fotografie hält einen Moment fest, der vom Fotografen so arrangiert ist. Für ihn haben sich die verschiedenen Personen und Vertreter typischer Harzer Berufsgruppen im Bild postiert und warten geduldig ungeduldig in ihrer typischen Tracht und in ihrer besten Kleidung darauf, dass die Platte belichtet ist.

Das Bild ist damals schon ein sentimentales Zeugnis einer untergehenden Epoche. Es hing lange Zeit auf der Diele des Bormannshauses in Buntenbock, einem typischen Gebäude des einstigen Fuhrherrendorfes im Oberharz. Die Geschichte dieser Berufsgruppe wartet noch auf eine umfassende Darstellung von ihren Ursprüngen bis in die Gegenwart.

Dieser Blog soll einen Beitrag dazu leisten.