Buntenböcker Fuhrherrenhäuser in alten Ansichten

Von Anneliese Vasel (1938-1991)

Die meisten unserer Buntenböcker Vorfahren kamen um die Mitte des 17. Jahrhunderts vom Berggeschrei angelockt aus dem Harzer Umland in den Oberharz. Doch kamen sie nicht als Bergleute, sondern als „Pferdehalter“, fanden im Transportwesen des aufkommenden Bergbaus Arbeit und Brot und bauten sich in der Nähe der schon bestehenden Junkernhöfe in Buntenbock ihre Häuser. Zwei Jahrhunderte lang war der Bergbau eine sichere Einnahmequelle für die Nachkommen dieser ersten Fuhrleute, die man später auch Fuhrherren nannte. Dann aber zwangen veränderte wirtschaftliche und politische Verhältnisse die alteingesessenen Fuhrherrenfamilien, sich nach neuen Erwerbsmöglichkeiten umzusehen. Seitdem sind hundert Jahre vergangen; nur ein Fuhrunternehmen konnte sich bis in unsere Zeit auf dem sogenannten Oberhof halten. Sonst bezeugen lediglich die alten Häuser, deren ganze Anlage dem Ortsbild einen Zuschnitt geben, der sich von dem der reinen Bergstädte mit ihrer viel engeren Bebauung deutlich unterscheidet, dass hier einmal Stallflächen für mehr als 60 Pferde bereitgestanden haben.

Inzwischen haben die meisten Häuser durch das Umbauen der früheren Ställe, durch neue Hausverschalungen, durch das Einsetzen moderner Fenster und Türen ein so verändertes Aussehen erhalten, daß man ihnen ihre ursprüngliche Funktion nur noch selten auf den Blick ansehen kann. Deshalb sei hier H. G. Griep gedankt, der in seinem Buch „Das Bürgerhaus der Oberharzer Bergstädte“ das Gärtner-Haus am Brink als ein besonders typsiches Fuhrherrenhaus ausführlich beschrieben hat. 1934 wurde bereits ein Modell des gleichen Hauses angefertigt und im Niedersächsischen Museum in Hannover aufgestellt. Es wurde offensichtlich ausgewählt, weil es jenen Typ des Fuhrherrenhauses verkörpert, der noch am ehesten eine Ähnlichkeit mit dem alten niedersächsischen „Streckhof“ erkennen läßt, bei dem der Stall- und Wohnteil unter ein gemeinsames Dach gebracht worden war.

Allerdings wird selbst der aufmerksamste Besucher Buntenbocks diesen Haustyp nur noch selten entdecken können. Häufer begegnet er einer anderen Form des Fuhrherrenhauses, nämlich der, bei der das Wohnhaus traufenseitig zur Straße steht, während die rückwärtigen Stallanbauten über eine seitliche Einfahrt erreicht werden können. Dieses Angebäude haben ein Spitzdach, das sich rechtwinklig an das des Vorderhauses anschließt. Auf der Abbildung 1. die das Mitteldorf um 1910 zeigt, läßt sich diese Bauweise recht gut an den Häusern im mittleren Bildgrund erkennen. Es handelt sich um die Häuser assec. 10 und 11 (diese und die folgenden Nummerierungen richten sich nach den laufenden Nummerierungen im Lagerbuch von Buntenbock, sie sind mit späteren Nummerierungen nicht identisch, auf die unten noch näher eingegangen wird. Auch wenn ein ehemaliges Wsaldarbeiterhaus für den Fuhrbetrieb umgebaut wurde, richtete man sich nach diesem Vorbild.

Ein eigenes Gepräge zeigen die gehöftartigen früheren Junkerhöfe, die aus ehemaligen Meiereien hervorgegangen sind. Über sie wurde wiederholt geschrieben, deshalb wird hier nicht auf die besondere Geschichte eingegangen. Vielmehr soll dieser Aufsatz ein Versuch sein, weniger bekannte Häuser und ihre früheren Besitzer vorzustellen.

Da sei zunächst auf das dem oben genannten Gärtner-Haus gegenüberliegende Bormannshaus hingewiesen. Es wurde seinerzeit als Nr. 42 eingetragen und zeigt wie jenes einen Grundriß, der dem des Streckhofes ähnelt. Der Wohnteil, der frühere Stall und die giebelseitigen Stallanbauten befinden sich wie dort unter einem gemeinsamen Dach. Ein Foto aus dem Jahr 1903 zeigt noch die Tür zum alten Pferdestall. Sie mßt späteren Wohnteilerweiterungen weichen. Durch die Stallanbauten, die auch einen Kellerraum ermöglichten, erreichte man wie beim Gärtner-Haus einen direkten Zugang zum Stallboden vom vorüberführenden Weg aus, eine bauliche Eigenart, die im Oberharz nur selten anzutreffen ist, in Buntenbock aber auch noch am Wohngebäude der alten Schmiede und an einem Angebäude des ehemaligen Schützenhauses zu beobachten ist.

Das Bormannshaus, Buntenbock Nr. 42, jetzt Nr.5, Ansicht 1. Hälfte 20. Jh, Foto: Privat.

Die Haberlands, die aus Osterode zugewandert waren, werden als erste Besitzer dieses Hauses genannt. Ein Michael Heinrich Bormann, Nachfahre des u. g. Ernst Bormann, ersteigert es 1799 und übergibt es drei Jahre später an seinen jüngsten Sohn Heinrich Jakob für 500 Taler. Bis heute ist es im Familienbesitz geblieben. Auch das Gärtner-Haus, Nr. 13, hat Haberlands als Eigentümer erlebt, bevor es 1841 von dem Fuhrmann August Gärtner für 660 Taler erworben wurde. Der jetzige Besitzer ist ein Nachkomme dieses Käufers.

Fuhrherrenhäuser des zweiten Typs findet man vor allem am heutigen Mittelweg, im etwas tiefer und ebener gelegenen Teil Buntenbocks. Mag sein, daß diese flächigere Lage die Siedler des 17. Jahrhunderts dazu herausgefordert hat, ihre Häuser und Stallungen so anzulegen, daß ein geschützter Hofraum entstehen konnte, eine Bauweise, die an Gehöfte des südlichen Harzvorlandes erinnert. Besonders deutlich zeigten die Häuser 10, 11, 18 und 19 diesen Grundriss noch am Anfang des Jahrhunderts (siehe Abbildung 1). Das Haus 18 soll hier nur kurz erwähnt werden, da ich darauf schon in einem anderen Aufsatz im HBK von 1980 eingegangen bin. Erinnert sei daran, daß dort immer Nachfahren des ersten Besitzers Ernst Bormann gelebt und gearbeitet haben.

Das Nachbarhaus Nr. 19 war eins von drei Zeuner-Häusern und und um 1725 „neu aufgebaut“. An gleicher Stelle muß eins der allerersten Siedlerhäuser Buntenbocks gestanden haben, da als früherer Besitzer des alten Hauses der Schwiegervater Sauerbrey erwähnt wird. Die Sauerbreys aber werden bereits im Wiesenbuch von Buntenbock aus dem Jahr 1630 als Wiesenbesitzer genannt. Beim neuen Aufbau werden ein Stall und ein Angebäude separat versichert.

Daß das Haus Nr. 11 einmal unter dem Namen „Schulzenhaus“ bekannt war, daran können sich die heutigen Besitzer noch erinnern. In der Tat wurde es von dem Fuhrherrn Adam Schulz schon 1748 für 550 Taler „samt Stall, Gras und Grabegarten, dabeigelegener Wiese und der zum väterlichen Fuhrwerke gehörenden Pferde“ von seinen Geschwistern angenommen. Der Vater, Christoph Schulz, wird 1729 als Hauseigentümer in Buntenbock gezählt. Da dessen Kinder schon alle dort geboren sind, ist anzunehmen, daß das Haus um 1700 gebaut wurde. Seit 1869 ist es ebenfalls ein Gärtnersches Haus, denn zu jenem Zeitpunkt erwarb es der aus dem Wieschenhaus stammende Fuhrherr Georg Gärtner. Die Abbildung 5 zeigt die straßenseitige Front des Wohnhauses um 1915.

Zum benachbarten Haus Nr. 10 sei nur soviel gesagt, daß es durch die Wiederheirat der jungen Witwe eines Heinrich Adam Gärtner 1822 von einem Gärtnerschen zu einem Schubertschen Fuhrherrenhaus wurde. Vielen Buntenbockern wird es noch als das letzte Hirtenhaus in Erinnerung sein.

Es sollte hier auch der sogenannte „Schützenbrink“ nicht unerwähnt bleiben. Wie das „Schulzenhaus“ verrät der „Schützenbrink“ mit seinem Hausnamen seine ersten Besitzer und erinnert nicht etwa an einen früheren Versammlungsplatz von Schützen. Aus schon zitierten Unterlagen geht hervor, daß der Fuhrherr Christian Schütz das Haus 1752 für 438 Taler mit einem „angebauten Stall“ von seinen Miterben erworben hat. Da aber die Schützes sich in Buntenbock im 17. Jahrhundert als Holzhauer niedergelassen hatten, ist zu vermuten, daß der „Schützenbrink“ zunächst ein Waldarbeiterhaus war. Weil Christian Schütz ohne männliche Erben bleibt, geht der Besitz nach seinem Tod über an seinen Schwiegersohn Heinrich Adam Gärtner. Das war 1773; und obwohl dieses Fuhrherrenhaus nun schon über 200 Jahre der gleichen Gärtner-Familie gehört, hat sich der alte Hausname bis in unsere Zeit im Volksmund erhalten.

Auch eines jener beiden Häuser am Weg nach Lerbach, Nr. 4 und 5, die der Fuhrherr Ernst Hille um die Mitte des 18. Jahrhunderts aufgekauft und um Stallanbauten erweitert hat, ist mit ziemlicher Sicherheit ursprünglich ein Haus von Waldarbeitern gewesen, und zwar Nr. 5. Es war beim Konkurs eines Adam Mummenthey zum Verkauf gekommen. Der Name Mummenthey taucht in alten Akten Buntenbocks häufig auf. Danach sind die Träger dieses Namens Zimmerleute, Waldarbeiter, Feuerholzmeister, Ortsvorsteher und auch Kantoren. Selten dagegen sind sie Bergleute, und als Fuhrleute scheinen sie sich so gut wie nie ihren Lebensunterhalt verdient zu haben.

Dieses Aufzählung ehemaliger Fuhrherrenhäuser und ihrer früheren Besitzer erhebt icht den Anspruch auf Vollständigkeit, das würden den Rahmen eines solchen Beitrages sprengen. Ebenso wurde darauf verzichtet, die Besonderheiten des Bergfuhrwesens, das für Buntenbock von so existenzieller Bedeutung gewesen ist, darzustellen. Der interessierte Laie sei deshalb auf folgende vertiefende Literatur hingewiesen:

H. Lommatzsch: Luftkurort Buntenbock, Piepersche Druckerei Clausthal-Zellerfeld, 1957/67; A. Humm: Aus längst vergangenen Tagen I., Piepersche Druckerei Clausthal-Zellerfeld, 1979; H. Dennert: Kleine Chronik der Oberharzer Bergstädte, Piepersche Druckerei Clausthal-Zellerfeld. 1974; C. Bormann: Aufsatz „Das Bergfuhrwesen im Oberharz“ in Zeitschrift „Der Harz“, Heft 3, 1978; H. G. Griep: Das Bürgerhaus der Oberharzer Bergstädte, Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen 1975.

Benutzte Archivalie:

Lagerbuch von Buntenbock. Niedersächsisches Staatsarchiv Hannover, Sign: Hann 72 Zellerfeld VII B 10.

Fotos stellten zur Verfügung: Anneliese Vasel, Annemarie Rose, Gerhard Gärtner und Albert Humm.

Der Aufsatz von Anneliese Vasel, geb. Bormann, (1938-1991) erschien im HBK 1983; S.39-42. Die Fotos des Originalbeitrags wurden nicht übernommen und tw. ersetzt durch eigenes Bildmaterial.

Der Heerwurm

17. Der Heerwurm.
Auf Klausthal erzählt man vom Heerwurm, welcher lang und dick ist und viele Köpfe hat. Legt er sich vor den Frachtfuhrleuten her über die Straße, so bedeutet dies Krieg.

29. Die lange Schlericke.
Nicht weit vom Zellerfeld und vom Schulenberg liegt ein langes und breites Thal, das heißt die Schalk. Darin soll’s sonst nicht recht sicher gewesen sein. Es haben aber gewöhnlich viele Heidelbeeren da gestanden, und die sind denn auch jedesmal von vielen Leuten geholt. Viele Burschen holen nun auch einmal Heidelbeeren, werden aber unten im Thale die lange Schlericke gewahr, das ist eine Jungfer mit Schlüsseln gewesen. Dem Einen winkt sie, ihr zu folgen. Er ist zwar erst ängstlich, geht aber doch hin. Sie führt ihn in einen aufgeschlossenen Berg, durch fünf große herrliche Zimmer, und endlich in einen schönen Saal, der roth ausgeschlagen ist. Hier spricht sie zu ihm: »Ist gut, daß du mitgekommen bist, sonst wär’s euch übel ergangen.« Danach öffnet sie einen Kasten und gibt dem jungen Manne, der ganz verwundert gewesen ist, einen großen Beutel voll Gold. Darauf entläßt sie ihn aus dem Berg und der junge Mensch ist dadurch sehr reich geworden.
Man erzählt auch, die Schalk sei ein verwünschtes Schloß und um sie her liege das ganze Groß- und Kleinwild in kleinen Steinen abgebildet umher, Hirsche, Rehe, Hasen, Katzen und Hunde, sagt man, seien um das Schloß her verwünscht. Die Jungfrau von der Schalk sah nicht lieblich aus, wie wol andere Schlüsseljungfrauen, sondern sehr verwildert, und hatte eine schmuzige Nase. So hat sie unzählige Frauen aus den Erdbeeren fortgejagt. Einen noch lebenden Hirten vom Zellerfeld, der sie rief, verfolgte sie eine ansehnliche Strecke weit, sodaß er vor Schrecken erkrankte und seine Heerde im ganzen Walde sich zerstreute. Am meisten aber trieb sie mit den Fuhrleuten ihr Unwesen, wovon ich nur eine Geschichte statt vieler erzähle. Wie ein Fuhrknecht an den schalker Teich kommt, steht sie dort auch wieder an der Schalk. Der Knecht sieht sie nicht, die Pferde aber, wie sie denn nun gar fein sind, spitzen sogleich die Ohren und haften unbeweglich an der Stelle. Endlich kommt der Fuhrherr herbei, der erkennt sogleich die Ursache und beginnt zu donnerwettern, daß die Schlüsseljungfer schon wieder da sei, und diese verschwindet. – »Sie muß jetzt auch wol erlöst sein«, sagte eine Frau, die das erzählte – »denn sie läßt sich nicht mehr sehen.«

http://gutenberg.spiegel.de/buch/harzsagen-erster-band-6329/9

https://www.projekt-gutenberg.org/taschenb/kriecht/chap072.html

Neuerscheinung!

Das Heft Die Kultur des Fuhrmannsstandes im Harz von Lutz Wille ist jetzt im Papierflieger-Verlag Clausthal-Zellerfeld erschienen. Das kleine monographische Werk widmet sich dem Fuhrwesen im Harz und füllt damit, zumindest im Printbereich, eine Lücke in der historischen Darstellung des Harzer Bergbauwesens.

Das Heft kann im Buchhandel, zum Beispiel in der Grosse’schen Buchhandlung in Clausthal-Zellerfeld bestellt werden:
Lutz Wille; Die Kultur des Fuhrmannstandes im Harz, Clausthal-Zellerfeld 2022, 64 Seiten, ISBN 978-3-86948-854-7.

Klappentext:

Die Kultur des Fuhrmannsstandes im Harz
Im Montanrevier Harz waren Fuhrleute über Jahrhunderte die Schnittstelle zwischen Bergbau, Holzwirtschaft und Köhlerei. Sie bildeten einen eigenen, selbstbewussten Stand, hatten ihre eigenen Traditionen und erbrachten berufstypische kulturelle Leistungen. Den erhaltenen Spuren geht das Heft (DIN A5-Format) auf 64 Seiten nach. Am Anfang steht eine Skizze über
Fuhrwesen und Fuhrleute im Harz. Darauf wird auf das Fuhrmannsdorf Buntenbock mit seinen Fuhrherrenhäusern eingegangen und als typische Vertreter Ihres Standes die Entwicklung der Fuhrmannsfamilie Bormann in Buntenbock durch die Jahrhunderte verfolgt.
In weiteren Abschnitten werden die Trachten der Fuhrleute und die Traditionen des Harzer Peitschenkonzert vorgestellt. In einzelnen Schritten wird die Anfertigung einer Fuhrmannspeitsche beschrieben. Darauf folgen Volksdichtungen, Sagen und Volkslieder, welche den Fuhrmannsstand zum Inhalt haben. Im Anhang geben wichtige Archivalien Auskunft über das Zusammenwirken von Bergbaubehörden und Fuhrherren. Das Heft ist reich mit guten Fotos versehen und gibt einen
interessanten Einblick in das kulturelle Vermächtnis des Fuhrmannsstandes.

Inhaltsverzeichnis

Zum Geleit 3

1. Das Fuhrwesen im Harz – Eine Skizze 6

1.1 Umfang des Fuhrwesens 6

1.2 Der Fuhrpark 7

1.3 Die Wegeverhältnisse 7

1.4 Die Kohlenstraßen ins Mansfelder Land 9

1.5 Die Oberharzer Bergfuhrleute (Fuhrherren) 10

1.6 Über Fuhrlöhne 10

1.7 Fuhrleute im Mittel- und Unterharz 12

1.8 Ende der Konzessionierung im Oberharz 12

1.9 Versicherungen für Fuhrleute 12

1.10 Ende des Fuhrwesens 13

2. Buntenbock und seine Fuhrherrenhäuser – Das Gärtner-Haus 14

3. Die Fuhrherrenfamilie Bormann in Buntenbock 16 von Dietrich Kreller

4. Die Trachten des Fuhrmannsstandes 20

5. Die Schulterpassen der Fuhrmannskittel 22

6. Die Traditionen des Peitschenkonzerts 26

7. Die Anfertigung einer Fuhrmannspeitsche 30

8. Das Fuhrmannsleben in Sage und Volksdichtung 32

8.1 Mien Beruf 32

8.2 Langholzfahrer im Forst von Wernigerode 34

8.3 Das Ilfelder Nadelöhr 38

8.4 Goslarer Fuhrleute entdecken Silbergänge bei Freiberg 39

8.5 Harzer Fauherliede und Göttinger Studenten 40

8.6 Die abenteuerliche Reise des Wilhelm Wiele (Auszug) 41

8.7 Das Gebet eines Pferdes 45

9. Das Fuhrmannsleben im Volkslied 46

9.1 Wir Holzfuhrleute müssen sein 46

9.2 Ich habe einen bunt bestickten blauen Kittel an 47

9.3 Das Benneckensteiner Tempo 48

9.4 Lustig ist das Fuhrmannsleben 49

9.5 Der Harzburger Holzhacker 50

9.6 Auf, auf, ihr Fuhrleut´ 51

Anhang

10.1 Aus Clausthaler Bergamtsprotokollen 52

10.2 Instruktion für die Berg-Fuhrleute in Clausthal 54

10.3 Strafverfügung gegen einen Benneckensteiner Fuhrknecht 55

10.4 Schreiben von Oberharzer Fuhrherren

an das Handelsministerium in Berlin 56

„… un ich gläb, daß ‚r uns noch Alle iwerlahm wärd“

„Fuhrmannsleben.“ Holzstich nach Ernst Fröhlich 1849. Münchener Bilderbogen Nr. 24. – 11. Auflage

Es ging änfach har friher, vil ähnfacher wie inzunt. Vielerlä Ahnschprich, die heiting

Tohks geschtellt waren, kännte mr darzeit gar net. Wärd jetzt meh verdient, su is ahch alles viel theirer geworr’n un manning Familingvoter wärds viel schwärer wie frieher, seine Einnahme mit dn Ausgohm in Änklang zu bränge. Mr wolln ower net fahn, daß es in dar alten Zeit dorchwack besser gewasen wär – nä, jeder Schtand is vorwarts gekumme in seiner gansen Lahmshaltung, in seiner Bildung un – in seiner Zufriedenhät, wenn ahch heite noch genung geknorrt wärd. Dos leit su in dr menschling Natur, un es mohg su lächt Kän‘ gahn, dar do saht: Su, ich bin nu zufrieden, ich will nischt meh! Dos is ahch gar net nethig; es derf blus dos Verlange, wie’s su oft geschieht, net ausarten.

Ä Wärthshaus in jänner Zeit war bunte belabt wie heite. De Eisenbahn hatte noch viel Platz, sich auszudehne; in de Geberge hatte se ihren Wahk noch su gut wie gar net genumme. Un unner Harz war äus von dan letzten mit, wu de Eisenbahn ihre Schiene hinschtreckte. Zuärscht schichtern drimrim, schpäter nohch Clasthol-Zallerfall nauf und endlich hot se gar du Brocken-Voter bezwunge. Hoffentoich wärds nu ahch net lang meh dauern, daß de Schiene von Clasthol-Zallerfall wätter wachsen un dan rachten Wahk nohch dr Altenah änschlahn, wu se ähngtlich freidiger aufgenumme waren mißten, als wenn se von dr Oker raufkäme. Un dn Wahk dorring Okerthol wärd de Bahn denn wull ahch balle finden. Eisenbahne han mr ju, gena genumme, all viele viele Jahr friher gehatt – se kunnten sich freilich mit dan jetzing net massen, wenn se for dn Barkbetrieb ahch geniegten: ich män unnern klän alten Hundslaaf, dar bei uns all Jahrhunnerte in Gebrauch is; blus, daß de Wohng kläner sän un daß Menschenhänd, kä Damp oder elektrischer Schtrom dos kläne eiserne Kastel bewagt. Hart hot sich doch net verdränge losen, un ich gläb, daß ‚r uns noch Alle iwerlahm wärd.

Weil dr Harz nu friher ahm su gut wos brauchte un sawerzierte wie jetzt, su war dr Frachtverkähr natierlich viel gresser un es Fuhrwasen hatte dozumol noch seine gillne Zeit. In su än Wärthshaus gängs aus un än.; de Frachtersch schpannten aus un loschierten iwer Nacht, annere futterten blus ihre Pfare un sich salwer un zuhng denn wätter. Dar gruße Schpankorb wur, wenn de Pfare ihr Racht hatten un de Fuhrleit sich net epper wos zu Assen beschtellten, von Wohng mit in dr Gastschtub reingebrocht un bei Schnaps un Sießbier oder ahch äner grußen Kann‘ Kaffee wur denn ower ’neingehaun, daß es ne Art hatte. De Towerkiep war for gewehnlich gut geschtoppt, ä gruß Schinkenschtick ower Schpack un harte Worscht war mehrschtens drinne, de Butter un es Schmals schteckten in äner grußen Holsbichs un von dan schwarzen kräfting Brud wur mit dn Taschenmast ä Kniewel nohng annern obgeschnieten.

Disse Leit waren ahch alle gut zu Fuß unner dr Nos, un wenn se gegassen un getrunken hatten, un an dan grußen Kachelufen, wu von dr Kich aus immer gleich halwe Schtuken neingeschuhm wuren, aufgethaut waren, wur de korze Pfeif, die unnern blae Kittel in dr Brusttasch schteckte, rausgekriegt, der laderne Towaksbeitel an dr Schnerr aufgezuhng, un denn äne geschtoppt un gequalmt, wos es Zeig halten wollte. Denn warsch in dr Schtub balle su äne schtickige Luft, doß mr kaum än erkänne kunnte. Disse rauhng Geselln markten doch nischt drvon, in Gehngthäl, se waren verkniegt un verzehlten sich ihre Erlabnisse. Un dos war wos for uns! Wie han mir da niwe zugehärt, denn es waren doch net blus Harzer Fuhrleit, nä, aus aller Walt waren se oft bunt dorchänanner. Wos verzehlten die alle, wie’s oft dar grußen Heerschtroß harging, von Iwerfäll, Raub un Schtacherei. Se hatten immer wos Neies.

Ey, Hermann; Erinnerunge aus alter Zeit. Von än alten Clastholer (Erschter Thäl), Clausthal 1907. Sonderabdruck aus den „Öffentlichen Anzeigen für den Harz“. Druck und Verlag der Pieper’schen Buchdruckerei (Bruno Reiche).

Impfen hilft!

Nachweis der ersten erfolgreichen Impfung gegen Pocken von Carl Bormann, Sohn von Louise und Wilhelm Bormann, Fuhrherr zu Buntenbock am 5. August 1875. 1874 war das Reichsimpfgesetz auf den Weg gebracht worden. Mit der Impfung, am 20. Mai 1886 aufgefrischt, wurde nicht nur der gesetzlichen Pflicht Genüge getan, sondern vor allem viel Leid erfolgreich verhindert.

WELTKULTURERBE RAMMELSBERG: Kulturerbe der Menschheit: Der Rammelsberg

Tausend Jahre Bergbau und Leben am Rammelsberg: In den Führungen über und unter Tage vermittelt das WELTKULTURERBE RAMMELSBERG ungewöhnliche Einblicke in das Wirken der Menschen am nördlichen Harzrand.
— Weiterlesen www.rammelsberg.de/

›Ein jeder hinter seinen Karren, und den Hahnen gespannt!‹

Anno 1536 bekam er einen Sohn, der hieß Reinhard Stilling; dieser war mein Urgroßvater. Er war ein stiller eingezogener Mann, der jedermann Gutes tat; er heuratete im 50sten Jahr eine ganz junge Frau, mit der er viele Kinder hatte; in seinem 60sten Jahr gebar ihm (d.i. seine Frau einen Sohn, den Henrich Stilling, der mein Großvater gewesen. Er war 1596 geboren, er wurde 101 Jahr‘ alt, daher hab ich ihn noch eben gekannt. Dieser Henrich war ein sehr lebhafter Mann, kaufte sich in seiner Jugend ein Pferd, wurde ein Fuhrmann und fuhr nach Braunschweig, Brabant und Sachsen. Er war ein Schirrmeister, hatte gemeiniglich 20 bis 30 Fuhrleute bei sich. Zu der Zeit waren die Räubereien noch sehr im Gange, und noch wenig Wirtshäuser an den Straßen; daher nahmen die Fuhrleute Proviant mit sich. Des Abends stellten sie die Karren in einen Kreis herum, so daß einer an den andern stieß; die Pferde stellten sie mitten ein, und mein Großvater mit den Fuhrleuten waren bei ihnen. Wann sie dann gefüttert hatten, so rief er: ›Zum Gebet, ihr Nachbarn!‹ dann kamen sie alle, und Henrich Stilling betete sehr ernstlich zu Gott. Einer von ihnen hielt die Wache, und die anderen krochen unter ihre Karren ans Trockne, und schliefen. Sie führten aber immer scharf geladen Gewehr‘ und gute Säbel bei sich. Nun trug es sich einmal zu, daß mein Großvater selbst die Wache hatte; sie lagen im Hessenland auf einer Wiesen, ihrer waren sechsundzwanzig starke Männer. Gegen eilf Uhr des Abends hörte er einige Pferde auf der Wiese reiten; er weckte in der Stille alle Fuhrleute und stund hinter seinem Karren. Henrich Stilling aber lag auf seinen Knien, und betete bei sich selbst ernstlich. Endlich stieg er auf seinen Karren, und sah umher. Es war genug Licht, so, daß der Mond eben untergehen wollte. Da sah er ungefähr zwanzig Männer zu Pferd, wie sie abstiegen und leise auf die Karren losgingen. Er kroch wieder herab, ging unter die Karre, damit sie ihn nicht sähen, gab aber wohl acht was sie anfingen. Die Räuber gingen rund um die Wagenburg herum, und als sie keinen Eingang fanden, fingen sie an, an einem Karren zu ziehen. Stilling, sobald er das sah, rief: ›Im Namen Gottes schießt!‹ Ein jeder von den Fuhrleuten hatte den Hahnen aufgezogen und schossen unter den Karren heraus, so daß der Räuber sofort sechse niedersunken; die andern Räuber erschraken, zogen sich ein wenig zurück und redeten zusammen. Die Fuhrleute luden wieder ihre Flinten; nun sagte Stilling, ›Gebt acht, wenn sie wieder näher kommen, denn schießt!‹ Sie kamen aber nicht, sondern ritten fort. Die Fuhrleute spannten mit Tagesanbruch wieder an, und fuhren weiter; ein jeder trug seine geladne Flinte und seinen Degen, denn sie waren nicht sicher. Des Vormittags sahen sie aus einem Wald wieder einige Reuter auf sie zuzeiten. Stilling fuhr zuförderst, und die andern alle hinter ihm her. Da rief er: ›Ein jeder hinter seinen Karren, und den Hahnen gespannt!‹ Die Reuter hielten stille; der vornehmste unter ihnen ritt allein auf sie zu, ohne Gewehr, und rief: ›Schirrmeister, hervor!‹ Mein Großvater trat hervor, die Flinte in der Hand und den Degen unterm Arm. ›Wir kommen als Freunde‹, rief der Reuter. Henrich traute nicht und stund da. Der Reuter stieg ab, bot ihm die Hand und fragte: ›Seid ihr verwichene Nacht von Räubern angegriffen worden?‹ ›Ja‹, antwortete mein Großvater, ›nicht weit von Hirschfeld auf einer Wiese.‹ ›Recht so‹, antwortete der Reuter, ›wir haben sie verfolgt, und kamen eben bei der Wiese an, wie sie fortjagten und ihr einigen das Licht ausgeblasen hattet; ihr seid wackre Leute.‹ Stilling fragte, wer er wäre? der Reuter antwortete: ›Ich bin der Graf von Wittgenstein, ich will euch zehn Reuter zum Geleit mitgeben, denn ich habe doch Mannschaft genug dort hinten im Walde bei mir.‹ Stilling nahm’s an, und akkordierte mit dem Grafen, wieviel er ihm jährlich geben sollte, wenn er ihn immer durchs Hessische geleitete. Der Graf gelobt’s ihm, und die Fuhrleute fuhren nach Hause.

Aus: Johann Heinrich Jung-Stilling; Henrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft und häusliches Leben, Stuttgart (Reclam) 1997, Kapitel 8.

Feldlager im 16. Jhd. Faksimile der Radierung von Jost Amman (1531-1591); eingescannt aus: Henne am Rhyn, Dr. Otto: Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Erster Band, Berlin, 1897., S. 482. Quelle: Wikimedia Commons.

Holz zu jeder Jahreszeit

Holzfuhr im Winter – hier für den Eigenbedarf – Aufnahme um 1900 bei Buntenbock.

Das Feuerholz wurde vor alters wie die Kohlen in zweiräderigen Karren gefahren, auf welchen statt des Korbes zwei niedrige Wagenleitern angebracht waren, zwischen denen das Holz aufrecht und hoch aufgetürmt stand. Ein solcher Karren faßte 2 alte Harzmalter à 30 Kubikfuß, also etwa 1 1/2 m. Auf den jetzigen Leiterwagen zieht ein Pferd 1 Harzmalter à 80 Kubikfuß = 2 m. Doch wird bei den besseren Waldwegen im Sommer meist zweispännig zu Walde gefahren. Ein großer Teil des Brennholzes muß indes „gerückt“ werden: es ist von steilen Berghängen durch ein tiefes Tal und wieder hoch hinauf zu schaffen, so daß den Zugtieren bis zum Beginn der Hochebene nur die halbe Ladung zugemutet werden kann.

Manche Forstorte liegen so ungünstig, daß die Abfuhr des Holzes vorteilhaft bis zu guter Schlittenbahn aufgeschoben wird. An frosthellen Wintertagen begegnen uns oft ganze Karawanen, und wir müssen, da ein anderes Ausweichen unmöglich und von Rohrs‘ Urteil über die Fuhrknechte (siehe S. 149) noch immer nicht ganz unzutreffend ist, uns seitwärts in den tiefen Schnee stellen, bis die letzten Schlitten vorüber sind.

Die einen fahren Schachtholz für die Gruben. Die langen, starken Fichten, denen nur die äußerste Spitze und die Zweige genommen sind, hat man mit dem Stammende zu Zweien oder Dreien auf dem „Knäbchen“, einem ganz kurzen, festen Schlitten, mittels Ketten befestigt, das Zopfende schleift aufdem Schnee und macht den Weg spiegelglatt. In dem schmalen Fahrgleise gehen die vor das Knäbchen gespannten Pferde hinter einander.

Andere Fuhrleute haben Brennholz geladen, und in langem Zuge, Schlitten hinter Schlitten, vor jedem ein Pferd, kommen sie dort über den Berg. Jetzt machen sie für einen Augenblick Halt. Der Atem der dampfenden Pferde wird sofort zu Reif. Um sich zu erwärmen, versuchen sich die Fuhrleute im Knallen, und weithin schallt’s wie Flintengeknatter durch den stillen Wald. Wenn die Pferde sich erholt haben, ziehen sie von selbst wieder an, und mit leisem Glockenklingen geht der Zug weiter.

Friedrich Günther; Der Harz, S. 547f. s. auch Karl Thiele, Fuhrleute.

„Jetzt stehen die Bergfuhrherren auf dem Aussterbeetat“

Christian Bormann, letzter ‚Fuhrherr‘ der Familie, vor dem Bormannshaus in Buntenbock, Aufnahme nach 1900. Christian Bormann trägt die klassische Fuhrherrentracht: Den weißen Kittel, schwarze Manchesterhosen mit Gamaschen, Schlapphut auf dem Kopf, Peitsche in der Rechten und die obligatorische Pfeife im Mund.

Auch das Fuhrwesen am Oberharze hat vor noch nicht zwei Jahrzehnten eine völlige Umgestaltung erfahren. Doch liegt der Grund hierfür nicht allein in der veränderten Waldnutzung, sondern zu größerem Teile in dem Fortfall der Erzfuhren ..

Die alten konzessionierten, pensionsberechtigten „Bergfuhrherren“ waren angesehene und wohlhabende Leute, die Tag für Tag dem vereinigten Berg- und Forstfiskus mit einer stattlichen Reihe von „Geschirren“ dienten. Wo Beamte in Uniform erschienen, namentlich aber Sonntags, wenn sie beim Forstmeister, ihrem nächsten Vorgesetzten, zusammenkamen, um Arbeitsanweisung und (auch für Privatfuhren gültige) Fuhrtaxe für die kommende Arbeitswoche entgegenzunehmen, da trugen sie mit Stolz ihren blendend weißen, sauber gearbeiteten langen Kittel (eine Bluse), der den feinen schwarzen Tuchrock völlig verdeckte.

Eine hohe Ehre aber war es ihnen, mit dem Berg- und Hüttenmann als dritte Gruppe an bergmännischen „Aufwartungen“ teilzunehmen und durch ihr kunstfertiges, minutenlang andauerndes Peitschenknallen, dessen Anfang und Ende ihnen durch an einem bestimmten Dachfenster des Amtshauses plötzlich auftauchendes und verschwindendes Licht signalisiert wurde, das Hurra und Glückauf jener zu verstärken. Auch wenn Deputationen an den höchsten Bergherrn zur Gratulation nach Hannover entsendet wurden, durften die Weißkittel neben der Puffjacke und dem Schurzfell nie fehlen, und ihr einem Schnellfeuer ähnliches Konzert erregte dort mehrfach solches Aufsehen, daß sie es zum zweitenmale aufführen mußten.

Jetzt stehen die Bergfuhrherren auf dem Aussterbeetat, und an ihre Stelle sind einfache „Fuhrunternehmer“ getreten.

Friedrich Günther; Der Harz in Geschichts-, Kultur- und Landschaftsbildern, Hannover 1888, S. 574.

 

Von 1700 bis 1850 war die Blütezeit des Fuhrwesens in Buntenbock. Seit etwa 1750 traten „Fuhrherren” auf. Die Fuhrherren fühlten sich als ein besonderer Stand. Es wird berichtet, dass selbst der König ihren Erzwagen ausweichen musste, was wohl mit der schweren Last zusammenhing. Allein im Transportwesen des Eisensteinbergbaus sind um 1800 etwa 560 Pferde mit 280 Fuhrleuten beschäftigt gewesen. Die Fuhrleute wohnten vor allem im Mittelteil des Ortes, der sich fast in einem Halbkreis um die beiden Junkernhöfe legte.

Torsten Schröpfer; Fundgrube. Wissenswertes über den Westharzer Bergbau und das Hüttenwesen, mit zahlreichen Stichwörtern aus den Bereichen Archäologie, Bergbau, Botanik, Geographie, Geologie, Hüttenkunde, Lagerstättenkunde und Mineralogie. Schriftenreihe des Oberharzer Geschichts- und Museumsvereins e.V., Clausthal-Zellerfeld 2000.