Buntenböcker Fuhrherrenhäuser in alten Ansichten

Von Anneliese Vasel (1938-1991)

Die meisten unserer Buntenböcker Vorfahren kamen um die Mitte des 17. Jahrhunderts vom Berggeschrei angelockt aus dem Harzer Umland in den Oberharz. Doch kamen sie nicht als Bergleute, sondern als „Pferdehalter“, fanden im Transportwesen des aufkommenden Bergbaus Arbeit und Brot und bauten sich in der Nähe der schon bestehenden Junkernhöfe in Buntenbock ihre Häuser. Zwei Jahrhunderte lang war der Bergbau eine sichere Einnahmequelle für die Nachkommen dieser ersten Fuhrleute, die man später auch Fuhrherren nannte. Dann aber zwangen veränderte wirtschaftliche und politische Verhältnisse die alteingesessenen Fuhrherrenfamilien, sich nach neuen Erwerbsmöglichkeiten umzusehen. Seitdem sind hundert Jahre vergangen; nur ein Fuhrunternehmen konnte sich bis in unsere Zeit auf dem sogenannten Oberhof halten. Sonst bezeugen lediglich die alten Häuser, deren ganze Anlage dem Ortsbild einen Zuschnitt geben, der sich von dem der reinen Bergstädte mit ihrer viel engeren Bebauung deutlich unterscheidet, dass hier einmal Stallflächen für mehr als 60 Pferde bereitgestanden haben.

Inzwischen haben die meisten Häuser durch das Umbauen der früheren Ställe, durch neue Hausverschalungen, durch das Einsetzen moderner Fenster und Türen ein so verändertes Aussehen erhalten, daß man ihnen ihre ursprüngliche Funktion nur noch selten auf den Blick ansehen kann. Deshalb sei hier H. G. Griep gedankt, der in seinem Buch „Das Bürgerhaus der Oberharzer Bergstädte“ das Gärtner-Haus am Brink als ein besonders typsiches Fuhrherrenhaus ausführlich beschrieben hat. 1934 wurde bereits ein Modell des gleichen Hauses angefertigt und im Niedersächsischen Museum in Hannover aufgestellt. Es wurde offensichtlich ausgewählt, weil es jenen Typ des Fuhrherrenhauses verkörpert, der noch am ehesten eine Ähnlichkeit mit dem alten niedersächsischen „Streckhof“ erkennen läßt, bei dem der Stall- und Wohnteil unter ein gemeinsames Dach gebracht worden war.

Allerdings wird selbst der aufmerksamste Besucher Buntenbocks diesen Haustyp nur noch selten entdecken können. Häufer begegnet er einer anderen Form des Fuhrherrenhauses, nämlich der, bei der das Wohnhaus traufenseitig zur Straße steht, während die rückwärtigen Stallanbauten über eine seitliche Einfahrt erreicht werden können. Dieses Angebäude haben ein Spitzdach, das sich rechtwinklig an das des Vorderhauses anschließt. Auf der Abbildung 1. die das Mitteldorf um 1910 zeigt, läßt sich diese Bauweise recht gut an den Häusern im mittleren Bildgrund erkennen. Es handelt sich um die Häuser assec. 10 und 11 (diese und die folgenden Nummerierungen richten sich nach den laufenden Nummerierungen im Lagerbuch von Buntenbock, sie sind mit späteren Nummerierungen nicht identisch, auf die unten noch näher eingegangen wird. Auch wenn ein ehemaliges Wsaldarbeiterhaus für den Fuhrbetrieb umgebaut wurde, richtete man sich nach diesem Vorbild.

Ein eigenes Gepräge zeigen die gehöftartigen früheren Junkerhöfe, die aus ehemaligen Meiereien hervorgegangen sind. Über sie wurde wiederholt geschrieben, deshalb wird hier nicht auf die besondere Geschichte eingegangen. Vielmehr soll dieser Aufsatz ein Versuch sein, weniger bekannte Häuser und ihre früheren Besitzer vorzustellen.

Da sei zunächst auf das dem oben genannten Gärtner-Haus gegenüberliegende Bormannshaus hingewiesen. Es wurde seinerzeit als Nr. 42 eingetragen und zeigt wie jenes einen Grundriß, der dem des Streckhofes ähnelt. Der Wohnteil, der frühere Stall und die giebelseitigen Stallanbauten befinden sich wie dort unter einem gemeinsamen Dach. Ein Foto aus dem Jahr 1903 zeigt noch die Tür zum alten Pferdestall. Sie mßt späteren Wohnteilerweiterungen weichen. Durch die Stallanbauten, die auch einen Kellerraum ermöglichten, erreichte man wie beim Gärtner-Haus einen direkten Zugang zum Stallboden vom vorüberführenden Weg aus, eine bauliche Eigenart, die im Oberharz nur selten anzutreffen ist, in Buntenbock aber auch noch am Wohngebäude der alten Schmiede und an einem Angebäude des ehemaligen Schützenhauses zu beobachten ist.

Das Bormannshaus, Buntenbock Nr. 42, jetzt Nr.5, Ansicht 1. Hälfte 20. Jh, Foto: Privat.

Die Haberlands, die aus Osterode zugewandert waren, werden als erste Besitzer dieses Hauses genannt. Ein Michael Heinrich Bormann, Nachfahre des u. g. Ernst Bormann, ersteigert es 1799 und übergibt es drei Jahre später an seinen jüngsten Sohn Heinrich Jakob für 500 Taler. Bis heute ist es im Familienbesitz geblieben. Auch das Gärtner-Haus, Nr. 13, hat Haberlands als Eigentümer erlebt, bevor es 1841 von dem Fuhrmann August Gärtner für 660 Taler erworben wurde. Der jetzige Besitzer ist ein Nachkomme dieses Käufers.

Fuhrherrenhäuser des zweiten Typs findet man vor allem am heutigen Mittelweg, im etwas tiefer und ebener gelegenen Teil Buntenbocks. Mag sein, daß diese flächigere Lage die Siedler des 17. Jahrhunderts dazu herausgefordert hat, ihre Häuser und Stallungen so anzulegen, daß ein geschützter Hofraum entstehen konnte, eine Bauweise, die an Gehöfte des südlichen Harzvorlandes erinnert. Besonders deutlich zeigten die Häuser 10, 11, 18 und 19 diesen Grundriss noch am Anfang des Jahrhunderts (siehe Abbildung 1). Das Haus 18 soll hier nur kurz erwähnt werden, da ich darauf schon in einem anderen Aufsatz im HBK von 1980 eingegangen bin. Erinnert sei daran, daß dort immer Nachfahren des ersten Besitzers Ernst Bormann gelebt und gearbeitet haben.

Das Nachbarhaus Nr. 19 war eins von drei Zeuner-Häusern und und um 1725 „neu aufgebaut“. An gleicher Stelle muß eins der allerersten Siedlerhäuser Buntenbocks gestanden haben, da als früherer Besitzer des alten Hauses der Schwiegervater Sauerbrey erwähnt wird. Die Sauerbreys aber werden bereits im Wiesenbuch von Buntenbock aus dem Jahr 1630 als Wiesenbesitzer genannt. Beim neuen Aufbau werden ein Stall und ein Angebäude separat versichert.

Daß das Haus Nr. 11 einmal unter dem Namen „Schulzenhaus“ bekannt war, daran können sich die heutigen Besitzer noch erinnern. In der Tat wurde es von dem Fuhrherrn Adam Schulz schon 1748 für 550 Taler „samt Stall, Gras und Grabegarten, dabeigelegener Wiese und der zum väterlichen Fuhrwerke gehörenden Pferde“ von seinen Geschwistern angenommen. Der Vater, Christoph Schulz, wird 1729 als Hauseigentümer in Buntenbock gezählt. Da dessen Kinder schon alle dort geboren sind, ist anzunehmen, daß das Haus um 1700 gebaut wurde. Seit 1869 ist es ebenfalls ein Gärtnersches Haus, denn zu jenem Zeitpunkt erwarb es der aus dem Wieschenhaus stammende Fuhrherr Georg Gärtner. Die Abbildung 5 zeigt die straßenseitige Front des Wohnhauses um 1915.

Zum benachbarten Haus Nr. 10 sei nur soviel gesagt, daß es durch die Wiederheirat der jungen Witwe eines Heinrich Adam Gärtner 1822 von einem Gärtnerschen zu einem Schubertschen Fuhrherrenhaus wurde. Vielen Buntenbockern wird es noch als das letzte Hirtenhaus in Erinnerung sein.

Es sollte hier auch der sogenannte „Schützenbrink“ nicht unerwähnt bleiben. Wie das „Schulzenhaus“ verrät der „Schützenbrink“ mit seinem Hausnamen seine ersten Besitzer und erinnert nicht etwa an einen früheren Versammlungsplatz von Schützen. Aus schon zitierten Unterlagen geht hervor, daß der Fuhrherr Christian Schütz das Haus 1752 für 438 Taler mit einem „angebauten Stall“ von seinen Miterben erworben hat. Da aber die Schützes sich in Buntenbock im 17. Jahrhundert als Holzhauer niedergelassen hatten, ist zu vermuten, daß der „Schützenbrink“ zunächst ein Waldarbeiterhaus war. Weil Christian Schütz ohne männliche Erben bleibt, geht der Besitz nach seinem Tod über an seinen Schwiegersohn Heinrich Adam Gärtner. Das war 1773; und obwohl dieses Fuhrherrenhaus nun schon über 200 Jahre der gleichen Gärtner-Familie gehört, hat sich der alte Hausname bis in unsere Zeit im Volksmund erhalten.

Auch eines jener beiden Häuser am Weg nach Lerbach, Nr. 4 und 5, die der Fuhrherr Ernst Hille um die Mitte des 18. Jahrhunderts aufgekauft und um Stallanbauten erweitert hat, ist mit ziemlicher Sicherheit ursprünglich ein Haus von Waldarbeitern gewesen, und zwar Nr. 5. Es war beim Konkurs eines Adam Mummenthey zum Verkauf gekommen. Der Name Mummenthey taucht in alten Akten Buntenbocks häufig auf. Danach sind die Träger dieses Namens Zimmerleute, Waldarbeiter, Feuerholzmeister, Ortsvorsteher und auch Kantoren. Selten dagegen sind sie Bergleute, und als Fuhrleute scheinen sie sich so gut wie nie ihren Lebensunterhalt verdient zu haben.

Dieses Aufzählung ehemaliger Fuhrherrenhäuser und ihrer früheren Besitzer erhebt icht den Anspruch auf Vollständigkeit, das würden den Rahmen eines solchen Beitrages sprengen. Ebenso wurde darauf verzichtet, die Besonderheiten des Bergfuhrwesens, das für Buntenbock von so existenzieller Bedeutung gewesen ist, darzustellen. Der interessierte Laie sei deshalb auf folgende vertiefende Literatur hingewiesen:

H. Lommatzsch: Luftkurort Buntenbock, Piepersche Druckerei Clausthal-Zellerfeld, 1957/67; A. Humm: Aus längst vergangenen Tagen I., Piepersche Druckerei Clausthal-Zellerfeld, 1979; H. Dennert: Kleine Chronik der Oberharzer Bergstädte, Piepersche Druckerei Clausthal-Zellerfeld. 1974; C. Bormann: Aufsatz „Das Bergfuhrwesen im Oberharz“ in Zeitschrift „Der Harz“, Heft 3, 1978; H. G. Griep: Das Bürgerhaus der Oberharzer Bergstädte, Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen 1975.

Benutzte Archivalie:

Lagerbuch von Buntenbock. Niedersächsisches Staatsarchiv Hannover, Sign: Hann 72 Zellerfeld VII B 10.

Fotos stellten zur Verfügung: Anneliese Vasel, Annemarie Rose, Gerhard Gärtner und Albert Humm.

Der Aufsatz von Anneliese Vasel, geb. Bormann, (1938-1991) erschien im HBK 1983; S.39-42. Die Fotos des Originalbeitrags wurden nicht übernommen und tw. ersetzt durch eigenes Bildmaterial.

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