Neuerscheinung!

Das Heft Die Kultur des Fuhrmannsstandes im Harz von Lutz Wille ist jetzt im Papierflieger-Verlag Clausthal-Zellerfeld erschienen. Das kleine monographische Werk widmet sich dem Fuhrwesen im Harz und füllt damit, zumindest im Printbereich, eine Lücke in der historischen Darstellung des Harzer Bergbauwesens.

Das Heft kann im Buchhandel, zum Beispiel in der Grosse’schen Buchhandlung in Clausthal-Zellerfeld bestellt werden:
Lutz Wille; Die Kultur des Fuhrmannstandes im Harz, Clausthal-Zellerfeld 2022, 64 Seiten, ISBN 978-3-86948-854-7.

Klappentext:

Die Kultur des Fuhrmannsstandes im Harz
Im Montanrevier Harz waren Fuhrleute über Jahrhunderte die Schnittstelle zwischen Bergbau, Holzwirtschaft und Köhlerei. Sie bildeten einen eigenen, selbstbewussten Stand, hatten ihre eigenen Traditionen und erbrachten berufstypische kulturelle Leistungen. Den erhaltenen Spuren geht das Heft (DIN A5-Format) auf 64 Seiten nach. Am Anfang steht eine Skizze über
Fuhrwesen und Fuhrleute im Harz. Darauf wird auf das Fuhrmannsdorf Buntenbock mit seinen Fuhrherrenhäusern eingegangen und als typische Vertreter Ihres Standes die Entwicklung der Fuhrmannsfamilie Bormann in Buntenbock durch die Jahrhunderte verfolgt.
In weiteren Abschnitten werden die Trachten der Fuhrleute und die Traditionen des Harzer Peitschenkonzert vorgestellt. In einzelnen Schritten wird die Anfertigung einer Fuhrmannspeitsche beschrieben. Darauf folgen Volksdichtungen, Sagen und Volkslieder, welche den Fuhrmannsstand zum Inhalt haben. Im Anhang geben wichtige Archivalien Auskunft über das Zusammenwirken von Bergbaubehörden und Fuhrherren. Das Heft ist reich mit guten Fotos versehen und gibt einen
interessanten Einblick in das kulturelle Vermächtnis des Fuhrmannsstandes.

Inhaltsverzeichnis

Zum Geleit 3

1. Das Fuhrwesen im Harz – Eine Skizze 6

1.1 Umfang des Fuhrwesens 6

1.2 Der Fuhrpark 7

1.3 Die Wegeverhältnisse 7

1.4 Die Kohlenstraßen ins Mansfelder Land 9

1.5 Die Oberharzer Bergfuhrleute (Fuhrherren) 10

1.6 Über Fuhrlöhne 10

1.7 Fuhrleute im Mittel- und Unterharz 12

1.8 Ende der Konzessionierung im Oberharz 12

1.9 Versicherungen für Fuhrleute 12

1.10 Ende des Fuhrwesens 13

2. Buntenbock und seine Fuhrherrenhäuser – Das Gärtner-Haus 14

3. Die Fuhrherrenfamilie Bormann in Buntenbock 16 von Dietrich Kreller

4. Die Trachten des Fuhrmannsstandes 20

5. Die Schulterpassen der Fuhrmannskittel 22

6. Die Traditionen des Peitschenkonzerts 26

7. Die Anfertigung einer Fuhrmannspeitsche 30

8. Das Fuhrmannsleben in Sage und Volksdichtung 32

8.1 Mien Beruf 32

8.2 Langholzfahrer im Forst von Wernigerode 34

8.3 Das Ilfelder Nadelöhr 38

8.4 Goslarer Fuhrleute entdecken Silbergänge bei Freiberg 39

8.5 Harzer Fauherliede und Göttinger Studenten 40

8.6 Die abenteuerliche Reise des Wilhelm Wiele (Auszug) 41

8.7 Das Gebet eines Pferdes 45

9. Das Fuhrmannsleben im Volkslied 46

9.1 Wir Holzfuhrleute müssen sein 46

9.2 Ich habe einen bunt bestickten blauen Kittel an 47

9.3 Das Benneckensteiner Tempo 48

9.4 Lustig ist das Fuhrmannsleben 49

9.5 Der Harzburger Holzhacker 50

9.6 Auf, auf, ihr Fuhrleut´ 51

Anhang

10.1 Aus Clausthaler Bergamtsprotokollen 52

10.2 Instruktion für die Berg-Fuhrleute in Clausthal 54

10.3 Strafverfügung gegen einen Benneckensteiner Fuhrknecht 55

10.4 Schreiben von Oberharzer Fuhrherren

an das Handelsministerium in Berlin 56

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›Ein jeder hinter seinen Karren, und den Hahnen gespannt!‹

Anno 1536 bekam er einen Sohn, der hieß Reinhard Stilling; dieser war mein Urgroßvater. Er war ein stiller eingezogener Mann, der jedermann Gutes tat; er heuratete im 50sten Jahr eine ganz junge Frau, mit der er viele Kinder hatte; in seinem 60sten Jahr gebar ihm (d.i. seine Frau einen Sohn, den Henrich Stilling, der mein Großvater gewesen. Er war 1596 geboren, er wurde 101 Jahr‘ alt, daher hab ich ihn noch eben gekannt. Dieser Henrich war ein sehr lebhafter Mann, kaufte sich in seiner Jugend ein Pferd, wurde ein Fuhrmann und fuhr nach Braunschweig, Brabant und Sachsen. Er war ein Schirrmeister, hatte gemeiniglich 20 bis 30 Fuhrleute bei sich. Zu der Zeit waren die Räubereien noch sehr im Gange, und noch wenig Wirtshäuser an den Straßen; daher nahmen die Fuhrleute Proviant mit sich. Des Abends stellten sie die Karren in einen Kreis herum, so daß einer an den andern stieß; die Pferde stellten sie mitten ein, und mein Großvater mit den Fuhrleuten waren bei ihnen. Wann sie dann gefüttert hatten, so rief er: ›Zum Gebet, ihr Nachbarn!‹ dann kamen sie alle, und Henrich Stilling betete sehr ernstlich zu Gott. Einer von ihnen hielt die Wache, und die anderen krochen unter ihre Karren ans Trockne, und schliefen. Sie führten aber immer scharf geladen Gewehr‘ und gute Säbel bei sich. Nun trug es sich einmal zu, daß mein Großvater selbst die Wache hatte; sie lagen im Hessenland auf einer Wiesen, ihrer waren sechsundzwanzig starke Männer. Gegen eilf Uhr des Abends hörte er einige Pferde auf der Wiese reiten; er weckte in der Stille alle Fuhrleute und stund hinter seinem Karren. Henrich Stilling aber lag auf seinen Knien, und betete bei sich selbst ernstlich. Endlich stieg er auf seinen Karren, und sah umher. Es war genug Licht, so, daß der Mond eben untergehen wollte. Da sah er ungefähr zwanzig Männer zu Pferd, wie sie abstiegen und leise auf die Karren losgingen. Er kroch wieder herab, ging unter die Karre, damit sie ihn nicht sähen, gab aber wohl acht was sie anfingen. Die Räuber gingen rund um die Wagenburg herum, und als sie keinen Eingang fanden, fingen sie an, an einem Karren zu ziehen. Stilling, sobald er das sah, rief: ›Im Namen Gottes schießt!‹ Ein jeder von den Fuhrleuten hatte den Hahnen aufgezogen und schossen unter den Karren heraus, so daß der Räuber sofort sechse niedersunken; die andern Räuber erschraken, zogen sich ein wenig zurück und redeten zusammen. Die Fuhrleute luden wieder ihre Flinten; nun sagte Stilling, ›Gebt acht, wenn sie wieder näher kommen, denn schießt!‹ Sie kamen aber nicht, sondern ritten fort. Die Fuhrleute spannten mit Tagesanbruch wieder an, und fuhren weiter; ein jeder trug seine geladne Flinte und seinen Degen, denn sie waren nicht sicher. Des Vormittags sahen sie aus einem Wald wieder einige Reuter auf sie zuzeiten. Stilling fuhr zuförderst, und die andern alle hinter ihm her. Da rief er: ›Ein jeder hinter seinen Karren, und den Hahnen gespannt!‹ Die Reuter hielten stille; der vornehmste unter ihnen ritt allein auf sie zu, ohne Gewehr, und rief: ›Schirrmeister, hervor!‹ Mein Großvater trat hervor, die Flinte in der Hand und den Degen unterm Arm. ›Wir kommen als Freunde‹, rief der Reuter. Henrich traute nicht und stund da. Der Reuter stieg ab, bot ihm die Hand und fragte: ›Seid ihr verwichene Nacht von Räubern angegriffen worden?‹ ›Ja‹, antwortete mein Großvater, ›nicht weit von Hirschfeld auf einer Wiese.‹ ›Recht so‹, antwortete der Reuter, ›wir haben sie verfolgt, und kamen eben bei der Wiese an, wie sie fortjagten und ihr einigen das Licht ausgeblasen hattet; ihr seid wackre Leute.‹ Stilling fragte, wer er wäre? der Reuter antwortete: ›Ich bin der Graf von Wittgenstein, ich will euch zehn Reuter zum Geleit mitgeben, denn ich habe doch Mannschaft genug dort hinten im Walde bei mir.‹ Stilling nahm’s an, und akkordierte mit dem Grafen, wieviel er ihm jährlich geben sollte, wenn er ihn immer durchs Hessische geleitete. Der Graf gelobt’s ihm, und die Fuhrleute fuhren nach Hause.

Aus: Johann Heinrich Jung-Stilling; Henrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft und häusliches Leben, Stuttgart (Reclam) 1997, Kapitel 8.

Feldlager im 16. Jhd. Faksimile der Radierung von Jost Amman (1531-1591); eingescannt aus: Henne am Rhyn, Dr. Otto: Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Erster Band, Berlin, 1897., S. 482. Quelle: Wikimedia Commons.