Man erlaubte sich bisher die so geringen Schichtlöhne, wahrscheinlich, weil den Bergleuten alle andere Art ihr Brod zu erwerben abgeschnitten ist, indem bekanntlich theils der Boden um Clausthal und Zellerfeld so unfruchtbar ist, daß nicht das geringst weder an Getraide noch Obst erbauet werden kann, theils auch, weil es geflissentlich verhindert wird, Ackerbau in dieser Gegend aufzubringen, um das Auskaufen von Stücken Feld zum Behuf des Bergbaues, das Rasenstechen und dergleichen nicht zu erschweren und zu vertheuren.*)
*) Ohngefähr zur Zeit des dreyßigjährigen Krieges wurden in einer Gegend vom Burgstädter Zuge herauf, die noch gegenwärtig am Haferberge heißt einige Wiesen zu Ackerland gemacht und mit Hafer besäet; allein dieser Ackerbau wurde bald nachher scharf verboten; und da im Jahre 1653 abermeils einige Leute Hafer ausgesäet hatten, dieses Verbot vom Bergamte am 6. Aug. dergestalt erneuert, daß nieand den bey Clausthal gewachsenen Hafer bey 50 Thlr Strafe in die Bergstadt bringen und jeder sich des Hafersäens künftig ganz enthalten solle. Da ferner 1673 zur Auftragung einiger Teichdämme die dazu nöthigen Rasen von den nächsten Wiesen abgestochen wurden, und einige Bergfuhrleute, als Eigenthümer solcher Wiesen, um dieser Verderbung ihrer Wiesen vorzubeugen, dieselben umpflügen und des Verbots ungeachtet mit Hafer besäen ließen, so wurde am 16. März 1674 abermals von Bergamts wegen ein Verbot öffentlich angeschlagen, vermöge dessen, besonders den Bergfuhrleuten angedeutet wurde, alle Pflüge binnen 14 Tagen abzuschaffen, oder zu gewärtigen, daß ihnen so wie andern Leuten dieselben vom OBerbergmeister weggenommen werden müssen. S. Gatterer vom Ackerbau der Harzer a.a. O. Th. IV. §. 153.154. S. 120.121.

Daher ist in dieser öden traurigen Gegend der Grubenbau das einzige Mittel für die Bergleute, ihr Leben zu fristen, ob ihnen gleich dies durch die drückendste Armuth erschwert genug werden muss.

Johann Carl Freiesleben, Bemerkungen über den Harz, Erster Theil. Bergmännische Bemerkungen über den merkwürdigsten Theil des Harzes, Leipzig (Schäfersche Buchhandlung) 1795, S.71f.

Werbung

Fotothek_df_tg_0000369_Bergwerk_^_Bergbau_^_Hunt_^_Karren

Wenn die Fuhrleute die Erze von den steilen Hängen der Berge hinabführen, gebrauchen sie zweirädrige Karren, die hinten zwei bis auf der Erde schleifende Baumstämme nachziehen. Diese bremsen durch ihr Gewicht und hindern das zu schnelle Aufwärtsfahren der schweren, mit Erz beladenen Karren. Wenn sie nicht vorhanden wären, müßten die Fuhrleute häufig Ketten um die Räder legen. Wenn die Fuhrleute die Erze von weniger steilen Bergen hinabschaffen, benutzen sie Wagen, deren Kästen doppelt so lang sind als diejenigen der Karren. Die Seitenbretter sind so angebracht, daß sie aufgehoben und entfernt werden können, wenn das Erz durch die Fuhrleute wieder von den Wagen abgeladen werden soll; denn sie werden nur von Riegeln* gehalten. Die Fuhrleute fahren 30 oder 60 Erzfuhren hinab, die dann von den Gewerken abgeholt werden. Ihre Zahl verzeichnet der Steiger auf dem Kerbholz.
*Sie werden gegenwärtig Rungen genannt.

Georg Agricola; Vom Berg- und Hüttenwesen, München (DTV) 1977, S. 140f.

Abb: Sächsische Landesbibliothek Dresden, http://www.deutschefotothek.de

„Mondschein-Fuhrherren“

Ein verhältnismäßig großes Personal hat das zum Rammelsbergischen Haushalte gehörige Fuhrwesen, indem die Anzahl der dabei beschäftigten Personen sich auf 281 beläuft, welches daher rührt, weil nur Wenige unter den Fuhrleuten sich mit Bergfuhren ausschließlich beschäftigen, indem dazu großen Theils Ackerleute einiger benachbarten Dörfer bestimmt sind.Vergleicht man hinsichtlich des Personals jenen Haushalt mit dem der Oberharzischen Blei- und Silberwerke, so zeigt sich eine auffallende Verschiedenheit. Die Anzahl der durch den Bergbau beschäftigten Arbeiter ist bei den Rammelsberge sehr gering im Verhältnis zum Personal der Oberharzischen Gruben; wogegen in Ansehung der Hütten- und Fuhrleute ein umgekehrtes Verhältnis Statt findet. Der ganze Rammelsbergische Haushalt beschäftigt gegenwärtig 697 Personen …“

J. Fr. L. Hausmann; Über den gegenwärtigen Zustand und die Wichtigkeit des Hannoverschen Harzes, Göttingen (Dieterichsche Buchhandlung) 1832, S. 240ff.

Wir Harzer Fuhrleute müssen jedes Korn Hafer, das wir füttern, mit baarem Gelde kaufen, jedes Bund Stroh, das wir zu Hecksel oder Streu gebrauchen, theuer bezahlen, da wir auch noch die Transportkosten vom Lande herauf für diese Artikel bezahlen müssen. Hier am Harze wächst nichts. Rademacher, Schmiede, Sattler, sind am Harze theurer, weil das Leben dort überhaupt theurer ist, und so kommt es denn, daß wir begreiflich mit auswärtigen Fuhrleuten überall nur dann concurrieren können, wenn wir auch täglich Beschäftigung haben. Die fremde Concurrenz nimmt uns die Fuhren weg, und uns bleibt nichts, wovon wir leben können, zumal diese nebenbei ihre Pferde auf ihrem Ackerland beschäftigen, dieselben zu diesem Zweck allein halten, und was sie nebenbei verdienen, in sonst freien Zeiten als Nebenverdienst erwerben.

Dietrich Kreller, Ein Brief an den König, s. Brief der Oberharzer Fuhrherren an den preußischen Handelsminister vom 16. April 1869 s. u.

Pferdefreunde Buntenbock

DAS FUHRHERRENDORF BUNTENBOCK

Im Fuhrherrendorf Buntenbock hat der Umgang mit dem Pferd eine jahrhundertelange Tradition. Waren es in der Hochzeit des Bergbaus vor allem der Transport des für den Ausbau der Stollen und Schächte benötigten Holzes, so kamen in der Zeit der Besiedlung des Oberharzes mehr und mehr Transporte zur Versorgung der Bevölkerung hinzu. Pferdefuhrwerke und mit ihnen zahlreiche Pferde auf Weideland bestimmten das Bild des Dorfes. Zu diesem Thema findet sich eine sehr lesenswerte historische Betrachtung auf der Webseite der Bergstadt Clausthal-Zellerfeld

Die Pferdefreunde Buntenbock möchten mit ihrem Engagement diese Atmosphäre für die Besucher und Einwohner des Dorfes wieder aufleben lassen und erlebbar machen. Nicht allein durch den Umgang mit den Tieren als Reitpferde oder vor der Kutsche, aber auch als gerne gesehene Mitbewohner auf den Weiden und Wiesen unseres Dorfes.

 

Rasen sticht Hafer – Rebellion der Bergfuhrleute 1674

tafel_068

Abbildung: Avena Sativa L. – Flora von Deutschland Österreich und der Schweiz (1885) – http://www.BioLib.de

Man erlaubte sich bisher die so geringen Schichtlöhne, wahrscheinlich, weil den Bergleuten alle anderen Art ihr Brod zu erwerben abgeschnitten ist, indem bekanntlich theils der Boden um Clausthal und Zellerfeld so unfruchtbar ist, daß nicht das geringste weder an Getraide noch Obst erbauet werden kann, theils auch, weil es geflissentlich verhindert wird, Ackerbau in dieser Gegend aufzubringen, um das Auskaufen von Stücken Feld zum Behuf des Bergbaues, das Rasenstechen und dergleichen nicht zu erschweren und zu vertheuren.*

*) Ohngefähr zur Zeit des dreyßigjährigen Krieges wurden in einer Gegend vom Burgstädter Zuge herauf, die noch gegenwärtig am Haferberge heißt einige Wiesen zu Ackerland gemacht und mit Hafer besäet; allein dieser Ackerbau wurde bald nachher scharf verboten; und da im Jahre 1653 abermals einige Leute Hafer ausgesäet hatten, dieses Verbot vom Bergamte am 6. Aug. dergestalt erneuert, daß niemand den bey Clausthal gewachsenen Hafer bey 50 Thlr Strafe in die Bergstadt bringen und jeder sich des Hafersäens künftig ganz enthalten solle. Da ferner 1673 zur Auftragung einiger Teichdämme die dazu nöthigen Rasen von den nächsten Wiesen abgestochen wurden, und einige Bergfuhrleute, als Eigenthümer solcher Wiesen, um dieser Verderbung ihrer Wiesen vorzubeugen, dieselben umpflügen und des Verbots ungeachtet mit Hafer besäen ließen, so wurde am 16. März 1674 abermals von Bergamts wegen ein Verbot öffentlich angeschlagen, vermöge dessen, besonders den Bergfuhrleuten angedeutet wurde, alle Pflüge binnen 14 Tagen abzuschaffen, oder zu gewärtigen, daß ihnen so wie andern Leuten dieselben vom Oberbergmeister weggenommen werden müssen. S. Gatterer vom Ackerbau der Harzer a.a. O. Th. IV. §. 153.154. S. 120.121.

Daher ist in dieser öden traurigen Gegend der Grubenbau das einzige Mittel für die Bergleute, ihr Leben zu fristen, ob ihnen gleich dies durch die drückendste Armuth erschwert genug werden muss.

Johann Carl Freiesleben, Bemerkungen über den Harz, Erster Theil. Bergmännische Bemerkungen über den merkwürdigsten Theil des Harzes, Leipzig (Schäfersche Buchhandlung) 1795, S.71f.

Fuhrmannskraut (gnaphalium arenarium L.)

Fuhrmannskraut

Fuhrmannskraut (gnaphalium arenarium L.) – Helichrysum arenarium (L.) Moench, Gnaphalium arenarium, Sand-Immortelle, 1796, Deutschlands Flora in Abbildungen at http://www.biolib.de, Johann Georg Sturm – Abbildung: Jacob Sturm.

 

„… lauter sehr starke Hengste“ – Harzer Fuhrherren im 18. Jahrhundert

„Obgleich auf dem Harze zu den mancherley Bergfuhren auf Erz, Schlieg, Holz, Kohlen u. so sehr viele Pferde von den Fuhrherren gehalten werden, so werden doch daselbst keine Pferde gezogen, sondern alle, und zwar lauter sehr starke Hengste, angekauft.

So hielten z.B. die Fuhrherren zu Clausthal im Quartal Trinitatis 1733 168 Pferde. Die Bezahlung solcher Fuhren z.B. des Erzes von den Gruben nach den Puchwerken geschieht treibenweis, ein Treiben auf dem Oberharze zu 40 Tonnen, eine Tonne zu 4 Kübeln (wovon jeder ungefähr einen Centner hält) gerechnet. Vor dem Jahre 1728. z.B. wurden zu Clausthal von jedem Treiben der Dorotheer- und Caroliner-Erze nach den Innerst-Puchwerken 7 Gulden Fuhrlohn gegeben, und von 2 Rösten Schlieg von da nach der Altonauer-Hütte 8 Gulden. Hingegen im Jahr 1728. wurden nach den 3 neuen Puchwerken im Polsterthale von jedem Treiben Erz 5 Gulden und 5 Mgr., und von 2 Rösten Schlieg von da nach der Altenauer-Hütte 2 Gulden und 10 Mgr. Fuhrlohn bezahlt.

Aus den Papieren eines erst kürzlich verstorbenen Mannes, der ehemals ein vorzüglich geschickter Bediente auf dem Harze war, kann ich folgende Vorschrift oder Instruktion für die Berg-Fuhrleute zu Clausthal mittheilen, von welcher es mir aber nicht bekannt ist, ob sie ein bloses Projekt blieb, oder würklich befolgt wurde:

1) Die Ladung auf ein gutes Harz-Pferd muß 6 Centner über Berg und Thal seyn, wenn es nicht überladen werden soll.
2) Zu einer Tagesfuhr werden 10 Stunden gerechnet, also daß die Pferde 8 Stunden im Zug sind, und 2 Stunden zur Fütterung und Aufladen auf 2 Karren gerechnet werden.
3) Bey dieser Fuhr wird auf ein Pferd wöchentlich 5 Himten Haber zur Fütterung gerechnet.
4) Auf eine volle Tagesfuhr soll der tägliche Verdienst 21 Mgr. seyn, wenn der Haber nicht unter 9 Mgr. und nicht über 12 Mgr. kostet.
5) Steiget der Preis des Habers über 12 Mgr., so soll das, was 5 Himten Haber in der Woche mehr kosten, auf 6 Tage eingetheilet, und täglich so viel mehr an Haber-Zulage gegeben werden, als es die Eintheilung auf 6 Tage ergiebet; jedoch also
6) Daß wenn der Preis des Habers auf einige Wochen steiget, die Haber-Zulage nicht statt habe.
7) Da die Schwehre des Holzes nach seiner Art zu sehr unterschieden, als dass davon gewisse Centnerzahl anzugeben stünde, so soll künftig, wie vorhin, 1 Karren Tannen-Kohlen, 2 Malter Rösteholz, und 35 Stück Wasen (Wellen) zur Ladung für ein Pferd gerechnet werden.
8) Ein Karren Büchen-Kohlen, der 7 bis 7 1/2 bis 8 Centner schwer ist, sonst noch 1/2 mal so hoch als 1 Karren Tannen-Kohlen im Fuhrlohn bezahlt worden. Da sich aber aus der Erfahrung gefunden, daß dieses zu viel, in dem solche größtentheils einspännig gefahren, so soll 1 Karren Büchen-Kohlen 1/3 Fuhrlohn gegen 1 Karren Tannen-Kohlen mehr geben, also, daß wenn von einem Wege für 1 Karren Tannen-Kohlen 21 Mgr. bezahlet wird, 1 Karren Büchen-Kohlen 28 Mgr. Fuhrlohn zu bestimmen.
9) Auf einer Stunde im Schritt zu reiten, wir 1 2/3 Stunde zu fahren gerechnet, und obwol solches nicht überall eintreffen möchte, so ist doch dieses als das beste Principium angenommen, und mithin werden 4 Stunden zu fahren auf 3 Stunden zu reiten gerechnet. Dagegen aber
10) bey der Schlittenbahn die Löhne mit dem runden Geschirre gleich gerechnet, wobey ohnehin der Unterschleif, wenn diverse Löhne festgesetzt worden, fast gar nicht zu vermeiden.
11) Wenn die Fuhrleute des Nachts nothwendig unter Wegs bleiben müssen, wird auf 1 Pferd wegen Stall- Schlaf- und Biergeldes 1 Ggr. oder 1 1/2 Mgr. über den festgesetzten Verdienst gerechnet.
12) Bey Berechnung der Weite des Wegs wird accurat auf die Lage, und also auch auf 1/4 Stunde reflectirt.
13) Bey Berechnung des Lohnes werden 2 g. Pf. und darunter ganz übergangen: wenn es aber über 2 g. Pf. ein voller Matthier ( = 4 g. Pf.) dafür gerechnet.“

Aus Dr. Christoph Wilhelm Jacob Gatterer’s Kurpfälzischen würklichen Bergraths, ordentl. öffentl. Professors der Landwirthschaft, Forst- Fabrik und Handlungswissenschaft auf der Staatswirthschaft hohen Schule zu Heidelberg, Correspondents der Königl. Soc. der Wissensch. zu Göttingen, Mitglieds des Königl. histor. Instituts zu Göttingen, der Kurpfälz. meteorol. Soc. zu Mannheim, und der Kurpfälz. ökonom. Gesellschaft zu Heidelberg, Beschreibung des Harzes, Erster Theil, Nürnberg, im Verlag der Bauer und Mannischen Buchhandlung. 1792, S. 131ff.

Wenn Buntenbocker Fuhrherren starben führten oft die Witwen den Betrieb weiter – Was ein Lagerbuch über zwei Witwen in Buntenbock berichtet

Bild

Die Fuhrherren-Witwe Augustine Wilhelmine Louise Bormann, geb. Gärtner, 1831 – 1912, überlebte ihren Mann Heinrich Carl Wilhelm Bormann, 1824 – 1894, um 18 Jahre.  Auf der um 1900 entstandenen Aufnahme sitzt sie mit vier ihrer insgesamt sieben Kinder vor der Gartenfront des Bormannshauses  – im Artikel mit „assec. 41“ bezeichnet – in Buntenbock, jetzt Am Brink 5. Der Fuhrbetrieb wurde zu dieser Zeit noch durch den Sohn Christian (im Foto links) aufrecht erhalten. Der jüngere Sohn Carl (1874 – 1942) wurde Pochsteiger.

Von Anneliese Vasel*

Man beobachtet ein zunehmendes geschichtliches Interesse, das sich nicht so sehr auf das große politische Geschehen richtet, sondern dem es genauso wichtig ist, mehr über die Lebensumstände der Menschen zu erfahren, die abseits der uns in Lehrbüchern vermittelten Geschichte lebten. Das ihre Taten solche der alltäglichen Lebensbewältigung waren, lassen sich Nachrichten darüber nicht so leicht finden wie über die berühmten Zeitgenossen.

Bei meiner Suche nach solchen Zeugnissen stieß ich auf eine Quelle, die beim Durcharbeiten manchen interessanten Einblick gewährte, und die darüberhinaus den Schluß zuließ, daß auch die Frauen nicht erst in unserem Jahrhundert die Fähigkeit zu selbständigem und verantwortungsbewußten Handeln entdeckt haben, wenn es darum ging, die Interessen der Familien zu wahren.

Es handelt sich um ein sogenanntes Lagerbuch. Darunter hat man sich eine Zusammenstellung und Beschreibung aller assecurierten Häuser eines Ortes vorzustellen. In mancher Hinsicht entspricht es dem heutigen Grundbuch. Für Buntenbock wurde ein solches Lagerbuch im Jahr 1766 angelegt und fortlaufend bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts geführt. Ein Seelenregister von 1773 rundet das Bild ab.

Aus beiden Quellen ergibt sich, daß damals 42 Hauswirte in Buntenbock gezählt wurden. Davon waren 18 Fuhrherren, die übrigen waren als Fuhrknechte, Waldarbeiter, Handwerker und einige wenige Bergleute eingetragen. Unter den Hauswirten befanden sich 9 Witwen. Fünf von ihnen waren Fuhrherren-Witwen. Zwei von diesen erschienen mir so bemerkenswert, daß ich hier über sie berichten möchte.

Es sind:
1. Dorothea Catharina Bor(ne)mann geb. Hüters oder Hüddersen
und
2. Anna Dorothea Thiele geb. Reinhard
Anmerkung: Zu jener Zeit wechselt die Schreibweise der Namen noch häufig, darum die verschiedenen Schreibformen bei 1..

Zu Dorothea Catharina Bormann
Sie war für uns lange die namenlose Mutter eines unserer Buntenbocker Vorfahren. Im zuständigen Kirchenbuch waren keine Angaben zu ihrer Person zu finden. Wahrscheinlich aber ist sie eine Tochter des töchterreichen Schneidermeisters und Hausbesitzer Hans Hüddersen aus Buntenbock. Sie muß um 1703 geboren sein. Ihre Eheschließung war ebenfalls nicht zu finden. Aus dem Lagerbuch aber geht nun hervor, daß sie die zweite Frau des Andreas Peter Bormann war. Als seine Witwe wurde sie Besitzerin des Hauses assec. 18.
Dieses Haus scheint mir das Stammhaus aller Bormanns in Buntenbock zu sein; Träger dieses Namens waren ja dort nicht gerade selten. Aus den Eintragungen ergibt sich nämlich, daß Andreas Peter Bormann dieses Haus „nach dem väterlichen Testament für 500 Taler“ angenommen hatte. Dieser Preis wurde für das Haus, eine Wiese und „inclusive derer zum Fuhrwerk gehörenden Pferde und Geschirre“ gezahlt. Der Vater des Andreas Peter, ein Jürgen Bormann, war der einzige Sohn eines Ernst Bormann, der um 1650 als Fuhrmann „auf dem Buntenbock“ erwähnt wird und zu der Zeit der einzige Träger des Namens in diesem Dorf ist.

Im Jahr 1766 bewohnt die Witwe Bormann das Haus assec. 18 mit drei Stiefkindern und ihrem leiblichen Sohn. Zwei Stiefkinder sind bereits verheiratet. Im gleichen Jahr fällt allen genannten Kindern durch Erbschaft ein weiteres Haus zu, das eines Onkels: assec. 41.

In dieser Situation wird die Witwe aktiv: Sie handelt mit den Stiefkindern einen Vergleich aus, wonach sie denen deren Erbanteil am Haus assec. 41 bar auszahlt. So wird sie Besitzerin eines zweiten Hauses. Das bleibt sie jedoch nur für drei Jahre. Denn 1769 übergibt sie das Haus assec. 18 dem Stiefsohn Georg Heinrich Bormann, da dieser inzwischen das Alter erreicht hat, das Fuhrgeschäft, das mit diesem Haus verbunden ist, selbständig zu führen. Ihm wird die Auflage gemacht, seine Geschwister auszuzahlen.

In das Haus assec. 41 zieht sie mit ihrem Sohn Michael Heinrich Bormann ein. Wahrscheinlich betreibt sei dort ebenfalls einen Fuhrbetrieb, denn 1773 wird sie noch als Hausbesitzerin gezählt, während Michael Heinrich Hausgenosse bei ihr ist und als Fuhrknecht eingetragen wird. Nach dem Tod der Mutter geht das Haus an den Sohn, der sich dann auch Fuhrherr nennen kann.

Zu Anna Dorothea Thiele
Mit ihr lernen wir eine noch junge Witwe kennen. Sie kam 1744 als Tochter des herrschaftlichen Meiers und Fuhrherrn Johann Christian Reinhardt in Riefensbeek zur Welt. Ihr Mann, den sie mit 19 Jahren heiratet, stammt ebenfalls aus einem Pacht-Meierhof in Riefensbeek. Er ist der Fuhrherr Heinrich Andreas Thiele.
Der Vater der jungen Frau hatte 1748 das Haus assec. 1 in Buntenbock für 800 Taler von einer Witwe Erhard und deren Sohn Joachim Thiele erkauft. Den Buntenbockern ist es als das spätere Schützenhaus bekannt.

Nach dem Tod seines Schwiegervaters übernimmt Heinrich Andreas Thiele 1772 dieses Haus und verpflichtet sich, der zweiten Frau des Verstorbenen dafür 800 Taler zu zahlen, wovon er tatsächlich nur 250 Taler aufbringen kann. Zu dieser Zeit wird das Haus von drei Familien bewohnt, Heinrich Andreas Thiele bleibt mit seiner Familie in Riefensbeek wohnen.

Im Jahr 1783 verliert Anna Dorothea Thiele ihren Mann. Mit dem Haus in Buntenbock kommt sie in große Schwierigkeiten, da sie die daraufliegenden Lasten nicht tilgen kann. Und so kommt es zu einem etwas seltsamen Verkauf dieses Besitzes an den Kohlenfuhrmann Johann Christian Gärtner. Seltsam insofern, daß der Käufer in die Bedingung einwilligen muß, das Haus der Witwe wieder zu überlassen, wenn sie binnen drei Jahre die nötigen Mittel für einen Rückkauf zusammengebracht haben sollte.

Aus den weiteren Eintragungen geht nun hervor, daß die Witwe alles darangesetzt haben muß, das Haus zurückzuerwerben. Unter dem 16. 3. 1788 findet man eingetragen, daß ihr und ihren Kindern das Haus wieder zugeschrieben wird, „nachdem sie Johann Christian Gärtner von allen nexu obligationes liberiret“.

Auch sie muß das Grundstück wiederholt belasten. Doch als sie es Anfang des 19. Jahrhunderts taxieren läßt, hat es einen Wert von 1600 Talern. Nach ihrem Tod geht es 1811 an den Sohn August Friedrich Thiele., der in diesem Haus inzwischen als Fuhrherr wohnt und arbeitet. Unter dessen Sohn Heinrich Leopold Thiele bekommt das Haus dann noch die Funktion eines Schützenhauses.

Zusammenfassend läßt sich vielleicht folgendes feststellen: Beiden Frauen war der Fuhrbetrieb offenbar so vertraut, daß sie nach dem Tod der Ehemänner in der Lage waren, diesen erfolgreich fortzuführen. Ihr besonderes Interesse gilt dem Erhalt des Grundbesitzes. Denn damit hinterlassen sie den Söhnen eine gute Grundlage für deren berufliche Existenz. Dabei wird es nicht ganz unwichtig gewesen sein, daß der Oberharzer Bergbau sich zu jener Zeit in einer Periode befand, in der er nicht mehr und nicht schon wieder von den ihm eigentümlichen Krisen geschüttelt war.

Literatur: Lagerbuch Buntenbock, Niedersächsisches Staatsarchiv Hannover, Sign. VLI B 10, Hann 72 Zellerfeld.
__________________________________________________________________________________________________________________

* Anneliese Vasel, geb. Bormann (1938 – 1991), selbst Nachfahrin einer Buntenböcker Fuhrherrenfamilie, gehörte zu den ausgewiesenen Kennerinnen der Geschichte Buntenbocks. In zahlreichen Veröffentlichungen hat sie ihr Wissen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Publikation dieses Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Nachfahren von Anneliese Vasel. Ein herzlicher Dank an dieser Stelle!
Der  Artikel „Wenn Buntenbocker Fuhrherren starben führten oft die Witwen den Betrieb weiter – Was ein Lagerbuch über zwei Witwen in Buntenbock berichtet“ wurde erstmals veröffentlicht in: Allgemeinen Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1980, Clausthal-Zellerfeld (Ed. Piepersche Buchdruckerei) 1979, S. 70ff.