„Jetzt stehen die Bergfuhrherren auf dem Aussterbeetat“

Christian Bormann, letzter ‚Fuhrherr‘ der Familie, vor dem Bormannshaus in Buntenbock, Aufnahme nach 1900. Christian Bormann trägt die klassische Fuhrherrentracht: Den weißen Kittel, schwarze Manchesterhosen mit Gamaschen, Schlapphut auf dem Kopf, Peitsche in der Rechten und die obligatorische Pfeife im Mund.

Auch das Fuhrwesen am Oberharze hat vor noch nicht zwei Jahrzehnten eine völlige Umgestaltung erfahren. Doch liegt der Grund hierfür nicht allein in der veränderten Waldnutzung, sondern zu größerem Teile in dem Fortfall der Erzfuhren ..

Die alten konzessionierten, pensionsberechtigten „Bergfuhrherren“ waren angesehene und wohlhabende Leute, die Tag für Tag dem vereinigten Berg- und Forstfiskus mit einer stattlichen Reihe von „Geschirren“ dienten. Wo Beamte in Uniform erschienen, namentlich aber Sonntags, wenn sie beim Forstmeister, ihrem nächsten Vorgesetzten, zusammenkamen, um Arbeitsanweisung und (auch für Privatfuhren gültige) Fuhrtaxe für die kommende Arbeitswoche entgegenzunehmen, da trugen sie mit Stolz ihren blendend weißen, sauber gearbeiteten langen Kittel (eine Bluse), der den feinen schwarzen Tuchrock völlig verdeckte.

Eine hohe Ehre aber war es ihnen, mit dem Berg- und Hüttenmann als dritte Gruppe an bergmännischen „Aufwartungen“ teilzunehmen und durch ihr kunstfertiges, minutenlang andauerndes Peitschenknallen, dessen Anfang und Ende ihnen durch an einem bestimmten Dachfenster des Amtshauses plötzlich auftauchendes und verschwindendes Licht signalisiert wurde, das Hurra und Glückauf jener zu verstärken. Auch wenn Deputationen an den höchsten Bergherrn zur Gratulation nach Hannover entsendet wurden, durften die Weißkittel neben der Puffjacke und dem Schurzfell nie fehlen, und ihr einem Schnellfeuer ähnliches Konzert erregte dort mehrfach solches Aufsehen, daß sie es zum zweitenmale aufführen mußten.

Jetzt stehen die Bergfuhrherren auf dem Aussterbeetat, und an ihre Stelle sind einfache „Fuhrunternehmer“ getreten.

Friedrich Günther; Der Harz in Geschichts-, Kultur- und Landschaftsbildern, Hannover 1888, S. 574.

 

harzer ‚goat walk‘

Trachten aus dem Harz. Chromlithographie von A. Kretschmer um 1887.

Trachten aus dem Harz.
Chromlithographie von Albert Kretschmer um 1885.

Der Harz

Bei den Männern ist, neben dem blautuchenen Rock von halbmoderner Form als Sonntagstracht, der hellblauleinene Kittel für den Werktag vorherrschend; letzterer unverändert wie er in den meisten Gegenden Norddeutschlands sich wiederfindet: ohne Kragen, bald in engen, bald in flacheren Faltenlagen vom Ausschnitt des Halses ausgehend, und mit breiter Verzierung von weißer oder dunkelblauer Stickerei am Achselstück.

Die schwarzen oder hellen Lederhosen mit Stiefeln bis unter das Knie reichend, dunkelblaue Strümpfe, und über diese Gamaschen von hellem Tuch, von der ganzen oder halben Länge des Unterschenkels, schwarzlederne Gebirgsschuhe mit dicken Sohlen und vielen Nägeln beschlagen, ein runder, schwarzer oder brauner Filzhut mit niedrigem Kopf und breiter Krempe, eine dunkelblaue Mütze von Tuch mit Lederschirm und endlich die mit Pelz besetzte Sammetkapppe ist die hier am meisten gebräuchliche Bauerntracht.

Am eigenthümlichsten kleidet sich unter den Bewohnern dieser Gegend der Schäfer. Im langen dunkelblauen Tuchrock mit dem brennend rothen Unterfutter und mit gemusterten Messingknöpfen besetzt; um Schulter und Rücken das lederne Ränzel mit vielen Metallbeschlägen, Ringen, Hundekoppeln und dergleichen Dingen, die theils von praktischem Nutzen sind, theils auch nur dazu dienen, seine Würde erkennen zu lassen; in der einen Hand das machthaberische Zeichen, den langen Schäferstab mit eisernem Haken, so finden wir ihn neben seiner wandelnden Sommerwohnung, dem „Schäferkarren“, welcher Schlafstube und Speisekammer vertritt.

Das Uebrige, diese Tracht Vervollständigende finden wir beim Bauern wieder, nur zuweilen vertauscht er den blautuchenen Rock mit einem weißleinenen oder trägt unter einem dieser beiden noch den blauleinenen Kittel.

Die Frauentracht in der Gegend um Wernigerode hat bei großer Einfachheit in Stoff, Farbe und Form dennoch viel Anmuthiges. Das gescheitelte oder nach der Höhe gestrichene Haar wird am Wirbel von einem schwarzseidnen Häubchen bedeckt, welches bald spitz nach hinten steht, bald flacher am Kopfe anliegt, und deren lange schwarzseidene Bänder am Rücken, sowie auch unter dem Kinn besfestigt, herabhängen.

Für die übrige Bekleidung lieben die Harzerinnen meistens Wolle oder dunkelstreifig und blumig gemusterten Kattun, welcher so nebeneinander gestellt ist, daß in vielen Fällen eine harmonische Farbenwirkung erzielt wird. Ein Kattunrock mit Kattunstreifen anderer Farbe am Saum besetzt, und eine Jacke und Schürze desselben Stoffs von dritter und vierter Farbe sind fast immer zusammen. Diese Zusammenstellung ist dennoch wenig auffallend, weil die Stoffe vorherrschend in ernsten Farben gehalten sind.

Die Röcke sind in nicht übermäßiger Faltenfülle und reichen in größter Länge beinahe bis zum Knöchel; sie sind häufig langgestreift und, wie oben erwähnt, am Saum breit besetzt. Die Schürzen sind größtentheils von dunkelbraunem Kattun mit weißen Blümchen (ähnlich der in jeder Wirthschaft bekannten Küchenschürze), doch sind auch hellstreifige oder hellblumige gebräuchlich und bei reicheren Bäuerinnen auch von besserem Stoff. Ein dunkelfarbiges Mieder, aus welchem die weißen Hemdärmel hervorsehen, ist für das Haus üblich, sonst wird über dieses eine glatte Jacke angezogen und darüber wieder ein Kattunbrusttuch dreizipfelig gebunden, dessen zwei Enden vorn von der Schürze bedeckt werden.

Ganz eigenthümlich ist außerdem der radförmige Mantel von dickem Stoff, womit sich die Harzerinnen gegen die Rauhigkeit des Wetters schützen und dessen Gebrauch sich auch bis in das benachbarte Flachland, im Regierungsbezirk Magdeburg, ausdehnt. Er ist am häufigsten von schwarzblauer oder trübroter Farbe und mit weißen Streifen, die der Breite nach verschieden sind, so bedeckt, daß der eine Theil der Streifen vom Nacken bis zum Saum lothrecht herabgeht, während von da aus die beiden anderen Theile im schiefen Winkel nach vorn auslaufen.

Um Stollberg bedienen sich die Frauen eines hellen Kattunmantels mit großem Kragen; am Halsausschnitt ist derselbe mit einer Krause, am Kragen und unteren Saum mit einem in Falten gezogenen Besatz desselben Stoffs verziert. Auch trägt man hier statt des schwarzseidenen Häubchens ein Kattunkopftuch, welchse als Binde um den Kopf gelegt wird, und dessen Enden im Nacken herabhängen.

Albert Kretschmer; Deutsche Volkstrachten, Leipzig 1887, S. 25f.

Harzer Fuhrmann

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Foto: Detlev Brinkschulte

Harzer Fuhrmann mit typisch blauem Leinwandkittel, rotem Halstuch, Manchesterhosen, gelben Gamaschen, Peitsche und der obligatorischen Pfeife – Skulptur ca. 30 cm, Holz, 1974 – geschnitzt von dem Buntenböcker Karl Cramer (1910 – 1984). Mit seiner Frau Tilly bewirtschaftete er in den 50er – 70er Jahren die Hanskühnenburg, einem markanten Steinturm und Wanderziel des Harzklub-Zweigvereins Osterode am Harz e.V. Auf dem Acker im heutigen Nationalpark Harz. –
Abb. mit freundlicher Erlaubnis von Richard und Carla Hille – Haus Hoheneck | Buntenbock.

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Fuhrfrohne bis Güterbestäter

Die Fuhrfrohne, Mz. die – n, eine Frohne, die mit Fuhrwerke geleistet wird. Frohnfuhre, Spanndienst.

Das Fuhrgeräth, des – es. d. Mz. ungew. alles schwere Geräth. welches vermittelst Wagen fortgebracht werden muß. Das Fuhr- und Packgeräth eines Heeres.

Der Fuhrknecht, des – es. Mz. die – e, der Knecht bei einem Fuhrwerke, besonders ein Knecht, der die gewöhnlichen beim Ackerbau vorkommenden Fuhren zu verrichten hat; der Ackerknecht, Pferdeknecht. Zuweilen auch der Knecht eines Fuhrmannes; ein Fuhrmannsknecht.

Der Führling, des -es. Mz. die -e. in Schwaben. ein Weinfaß von der Größe. daß es ein einzelnes Pferd fortführen oder fortziehen kann.

Der Fuhrlohn. des -es. d. Mz. ungew. der Lohn für die Fuhre, der Lohn welchen der Fuhrmann erhält.

Der Fuhrmann. des -es. Mz. die -männer und die Fuhrleute.
1) Der das Fahren oder die Lenkung des Zugviehes vor einem Fuhrwerke verrichtet; der Kutscher, wenn das Fahrwerk eine Kutsche ist. ..Ich will deine Wagen und Fuhrmänner zerschmeißen.- Jer. 51. 21. Besonders derjenige, der ein Gewerbe daraus macht. Güter und Waaren für Geld von einem Orte zum andern zu fahren.
Daher die Fuhrmannsherberge, eine Herberge für Fuhrleute.
die Fuhrmannspeitsche. die Peitsche eines Fuhrmannes
u. In manchen O. D. Gegenden wird auch derjenige Bauer, der Pferde und Geschirr hält und in andern Gegenden ein Anspanner, Pferdebauer. Pferdner
u. heißt, ein Fuhrmann genannt. a) In der Sternkunde, ein Sternbild in der Milchstraße.

Der Fuhrmannskittel. des -s. d. Rz. w. b. Ez. der Kittel von Leinwand, welchen die Fuhrleute über der Kleidung zu tragen pflegen und welcher einem Hemde im Schnitte ähnlich ist; daher er auch wol Fuhrmannshemde genannt wird. Dann überhaupt ein grober Kittel.

Das Fuhrmannspferd. des -es. Mz. die -e, das Pferd eines Fuhrmannes; besonders ein großes starkes Pferd, so wie es die Fuhrleute nöthig haben.

Die Fuhrmannssprache, o. Dez. die Sprache der Fuhrleute, d. h. eine grobe plumpe Sprache.

Die Fuhrmannsstraße. s. Fuhrstraße.

Der Fuhrmannswagen. des -s. d. Mz. w. d, Ez. ein großer stark gebauter Wagen, auf welchem Güter, Waaren u. von den Fuhrleuten von einem Orte zum andern geschafft werden, auch bloß der Fuhrwagen.

Die Fuhrmannswinde. Mz. die -n. eine Winde, deren sich die Fuhrleute bedienen, ihren Wagen bei erfodernden Gelegenheiten, als beim Schmieren u. in die Höhe zu winden.

Der Fuhrsattel, des -s. Mz. die -sättel. ein Sattel zum Behuf des Reitens auf einem der dem Wagen vorgespannten Pferde, zum Unterschiede von einem Reitsattel und Tragesattel.

Der Fuhrschlitten. des -e. d. Mz. w. d. Ez. ein Schlitten, schwere Sachen darauf fortzuschaffen; zum Unterschiede von einem Rennschlitten.

Die Fuhrstraße. Mz. die -n. eine Straße. auf welcher gefahren wird, besonders eine breite Landstraße, auf welcher auch die Fuhrleute fahren; die Fuhrmannsstraße, und alle Städte der Erde lagen mit offenen Thoren und mit breiten Fuhrstraßen um ihn herum.“ J. P. Richter

Der Fuhrwagen. des -s. d. Mz. w. b. Ez. s. Fuhrmannswagen.

Der Fuhrweg. des -es. Mz. die -e. ein Weg auf welchem gefahren wird, der Fahrweg, zum Unterschiede von einem Fußwege.

Das Fuhrwerk. des -es. Mz. die -e. 1) Ein Gerät zum Fahren als Wagen, Karren, Schlitten u. Sowol allein als auch mit Inbegriff des dazu gehörigen Zugviehes. Gutes, schlechtes Fuhrwerk haben. Mit einem eignen Fuhrwerke reisen. 2) Das Gewerbe. Güter und Personen für Geld zu fahren; ohne Mehrzahl. Sich vom Fuhrwerke nähren. 3) So viel als Fuhrwesen; ohne Mehrzahl. 4) Uneigentlich, ein Mittel etwas mit guter Gelegenheit zu seiner Befiimmung zu befördern (Vehikel). „Diese (die Muttersprache) ist der Landesehre Fuhrwerk.“- Gabr. Wagner. Besser Fahr- oder Gelegenheitsmittel.

Das Fuhrwesen. des -s., o. Mz., alles, was das Fahren, das Fortschaffen der Güter zur Achse und für Geld angehet und dazu gehöret. Das Fuhrwesen besser einrichten.

Der Gabelwagen. des -s. d. Mz. w. d. Ez. ein Wagen mit einer Gabeldeichsel,  ein Karrenwagen,

Der Güterbestäter. des -s. Mz. w. d. Ez. in manchen. besonders Handelsstädten. eine vereidete Person, welche die mit Fuhrleuten u. ankommenden Waaren in Empfang nimmt und dafür sorgt, daß sie richtig weiter befördert werden; der Bestäter. O D. Gutfertiger, Fertiger, Güterbesteller.

Joachim Heinrich Campe ; Wörterbuch der deutschen Sprache. Veranstaltet und herausgegeben von Joachim Heinrich Campe. Zweiter Theil. F – K. Braunschweig 1808. In der Schulbuchhandlung.

Der letzte Fuhrherr

Der letzte Fuhrherr

Heinrich August Wilhelm Christian Bormann, genannt Christian, geb. 1858, vor dem Bormann-Haus am Brink in Buntenbock. Christian Bormann übernahm den Fuhrherrenbetrieb von seinem Vater, Heinrich Carl Wilhelm Bormann (1824 – 1894). Neben dem weißen Fuhrherrenkittel trägt er die typischen Manchesterhosen und Gamaschen, in der rechten Hand die Peitsche, in der Linken die obligatorische Tabakspfeife  | Bild: Fuhrherren Museum Buntenbock | Archiv Ottensen | um 1900.

Karikatur – mit Karren

Karikatur - mit Karren

James Gillray (1757 – 1815); The State waggoner and John Bull – or – The waggon too much for the donkeys (1804).

http://arks.princeton.edu/ark:/88435/9z902z950

Karikatur – ohne Karren

Pik 6

23. VI of Spades.
Skippon a waggoner to Sr. F. Vere one of Olivers Hectors.“
Major-General Skippon was left in charge of the Army by the Earl of Essex, when the latter fled from Fowey to Plymouth. Skippon surrendered all his Artillery, 100 barrels of powder, and about 6000 arms (muskets) on condition that the officers should be convoyed in safety to Poole or Southampton. Skippon was originally a waggoner, as stated in the Card.—(Clarendon’s History of the Rebellion, vol. ii., page 327.)

EXPLANATORY NOTES OF A PACK OF Cavalier Playing Cards TEMP. CHARLES II. FORMING
A COMPLETE POLITICAL SATIRE OF THE COMMONWEALTH. BY EDMUND GOLDSMID, F.R.H.S., F.S.A. (Scot). Filler Edinburgh: E. & G. GOLDSMID. 1886.

Quelle: http://www.gutenberg.org/files/44594/44594-h/44594-h.htm

Gesucht wird … der Fuhrmannskittel

Im Gegensatz zum Frack erscheint der Kittel oder Küttel schon in den ältesten Steckbriefen. Bei ihm handelt es sich im Spiegel der Signalements um eine Kleidung, die schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur männlichen Oberbekleidung gehörte. Die Kleidungs- und Kostümgeschichte zeigt ihn als einfaches überwurfartiges Kleidungsstück, aus dem sich im 17. Jahrhundert der Rock entwickelt hat. Der Kittel wurde in der Folge zu einem Kleidungsstück, das einerseits vor allem den unteren Bevölkerungsgruppen und andererseits insbesondere als über der anderen Kleidung getragenes Schlechtwetterkleid diente. 1756 wurde nach mehreren Jaunern gefahndet, die „sodann die weisse Kittel ausziehen, und ganz bürgerlich daher kommen“.

Der Kittel als eher minderwertiges Kleidungsstück zeigt sich auch im Steckbriefes kleinen Henrich, von dem es 1770 hieß: „traget, wenn er auf die Märkte ziehet, einen sauberen blauen Rock, sonst aber einen Kittel“. Dieser und andere Steckbriefe zeigen, daß der Kittel den Rock ersetzen konnte. Andererseits wird mehrfach erwähnt, daß der Kittel über dem Rock getragen wurde. 1770 wurde Georg Mangold gesucht, er trug einen „blauen Rock und über diesem einen Zwillich-Kittel“. 1787 trug ein gewisser Leonhard „über einem Rock einen schwarzen Bauren-Kittel“ und ein Jahr später Johann Mergenthal „über einem grünlechten Rock einen blauen Fuhrmannskittel“.

Die Verteilung der Belege für Kittel über den Untersuchungszeitraum läßt erkennen, daß der Kittel bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein offenbar sehr häufig getragen wurde, dann aber zunehmend an Bedeutung verlor und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur noch selten vorkam. … Zum überwiegenden Teil wurden die Kittel aus Leinen hergestellt. …

Bemerkenswert erscheint noch die Feststellung, daß die Fuhrleute offenbar häufig blaugefärbte Leinenkittel trugen, solche „Fuhrküttel“ sind mehrfach erwähnt. Ob der oben schon genannte Bauernkittel typisch für diesen Stand war, muß fraglich bleiben. …

Auffällig ist der hohe Anteil weißer Leinenkittel, ein Befund, dem die Ergebnisse der Inventarforschung deutlich entgegenstehen. So stellt sich natürlich die Frage, ob die weißen Kittel als ein Charakteristikum der Jaunergesellschaft anzusehen sind, eine Hypothese, die vor allem für die Mitte des 18. Jahrhunderts einiges für sich hat.

Wolfgang Seidenspinner; Mythos Gegengesellschaft, Erkundigungen in der Subkultur der Jauner, München (Waxmann) 1998, S.185f.

1856 – Ä Peitschen-Schtanderl for de hung Herschaften

Mei Blick gieht links niewer nohng Amthaus, wos dan grußen Platz an disser Seit su schien obschließt. Ä prächtiger Bau, äne Zier for dr ganzen Schtadt. War alle ist do in frieherer Zeit aus- un ängegange, war is do net alle zu Gast gewasen bei dan jeweiling Barkhauptmann: v. Meding, v. Knesebeck, v. Linsingen, Ottiliae!
Unner altes hannoversches Kenigshaus hot ahch Clasthol besucht un do länger verweilt. De Harzer hab se doch will garen gehatt.

An Mittwoch, den ärschten Oktober 1856 kam dr Kenig Georg V. mit dr Kenigin Marie, dn Krunprins Ernst August un dan bäden Prinzessinne Friederike un Mary in Clasthol ahn. Ä greßrer Aufwand ist wull of dn Harz noch net gemacht als wie bei disser Gelahnghät.

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An Nohchmittohk wir de Königsfamilig dorch dn Harr Barkhauptmann v. Knesebeck un än Regierungsrath bei dar prächtig Ehrenpfort, die interhalb dr Lerbacher Eisenhitt aufgefiehrt war, in Empfang genumme un begrißt, von do gängs mit Fuhrleit als Vierreiter dorch Schpalljehs von Waldarptersch, Hitten-, Bark- und Puchleit bes an dr zwäten Ehrenpfort, die uhm vor Clasthol ahngelegt war un die sich wunderbar schien ausnahm. Hie wurn de huhng Gäst von Clastholer Magistrat, von dr gansen Gästlichkät, Bark- und Hittenbeamten un dan Bergerschaftsvertratern empfange un begrißt un denn wieder dorch än ununterbrochne Schpalljeh von Bergern dr Osterederschtroß nunter bes nohng Amthaus gebrocht, wu de Kenigsfamiilig for dr nächsten Zeit Quartier namme wollte.
Alles schteckte in Grien un kä Haus war ohne Zier. Su ne Menschenmeng war will noch net of de Bän gewasen un besundersch of dr Osterederschtroß.

An Ohmd war äne gruße barkmännsche Aufwartung vor’n Amthaus. Disse Aufziehg kännt ju jeder Harzer; se sän, besundersch an Ohmd, bei dan vielen brenneten Gruhmlichtern, su ähngartig schien, daß se ä Jeder garen wiedersieht. De Barkmusiker in ihren schmucken Ohneform, dar korzen schwarzen Jack mit dicke goldne Schmier, dan griene Schachthut mit silberne Schlegel un Eisen un blanken Hinterlader, machte Morring- un Tafelmusik un war fast schtännig an dr Arpt.

Jeden Tohk machte nu dar Kenntliche Besuch Ausflieg un alles, wos es Sahn wart, han se in Ahngschän genumme. Wu se hinkame, war Alles in schännsten un frischsten Schmuck; ich will mant nenne de Prinzenlaube, de Barkwarkswohlfahrt un de Bitt. Hie warsch äne wahre Pracht. Än Tohk wir nohch dan neue Richtschacht in Burgstedter Zuck gefahren, dar for dan alten Dortheer Schacht abgesunken waren sollte. Har krehg in dr Taaf von dr Kenigin Marie sän Name un hieß von nun ahn: Kenigin Marie-Schacht.
An Freitig Ohmd war wieder äne Aufwartung von Berger un Schutzen, die ahch mit viel’n Glans verlief.

An Mantig Mittohk ließ de Kenigsfamilig von Amthaus rob „rappen“ un Alt und Jung nahm Ahnthäl an dissen saltne un äntregling Vergnieng. Weil es Rappen in dr Walt immer saltner wärd un dorim mannig Äner zunt gar net meh wäß, wos dos ähngtlich is, su will ichs hie sahn: de Kenigin un ihre Kinner hatten kläne Kerb vull neies Silwer- un Kuppergald un schräten dos nu mit vullen Händen uhm von Balkon rob.
Es Rappen hatte ju Käner gelarnt – wu sollter dos ahch larne! –

un doch verstanden se’s Alle. De arm‘ Leit, for dies beschtimmt war, un de Kinner un ahch noch Annre han kän Pfifferling liehng loßen un dr Amthausdiener hatte net nethig, harnohcher wos zesammezefahng. Es war wie gelackt do.

An dissen Mantig Ohmd war ahch äne wunderschiene Illumenation, bei dar ower ahch in’n klänsten Gassel Lichter in de Fanster schtanden. Hibsche Transparente mit sinning Inschriften brochten denn noch äne ahngenahme Obwachslung drzwischen. Ä paar drvon sän mr noch bekannt geworr’n un ich will se mit harsetzen: dr alte Kemena hatte geschriehm:

„Einst sprach Dein Ahn:
Der Harz ist doch die beste Perl‘ in meiner Kron!
Sprich Du es auch, geliebter König, lehr‘ es Deinem Sohne
Und achte nicht des Landes Wahn!“   (?)

An Finans-Revisor Lahmeyer (schpätern Ewerbarkrath) sän Haus war zu lasen:
„Des Königs Huld, der Königin Herz,

Des Waldes Gedeihn und Tausend Jahr Erz –
Wenn das der Himmel dem Harz bescheert,
Dann hat er nichts weiter, was er begehrt!“

Dr Ey in „Drei Linden“ an dr Osterederschtroß hatte ä schienes Transparent gemacht; seine Inschrift ließ sich dr blinde Kenia bei sän Dorchfahren laut un vernehmlich zwämol vierlasen. Sie lautete:

„Georg V. und Marie
Heil, Heil auf ihrem Thron!
Wenn ihre Gnad‘ doch mir verlieh‘
Hier eine Konzession!“

Es blie ower bän Alten – har krehg käne.

Ahch ä Peitschen-Schtanderle han de huhng Herschaften vorn Amthaus zu hären gekrehng, wie’s de Barkfuhrharrn mit ihren Fuhrleiten bei festling Gelahnghäten auffiehrten.
Mr hots wull noch nerringst annerschtwu gehärt. Un wenns ahch blus Peitschen waren, wu se drmit knallten – es härte sich doch gut ahn. Se waren gut ängeibt, un in frischgewaschne blae Kittels mit weißer Schullerschtickerei, dan bräten schwarzen Filzhut of dn Kopp, traten se denn, daß se sich net gehngseitig in’n Gesicht schluhng, su weit ausänanner ahn, wie de Hulane, wenn se ihre Lanzen-Iwunge machen. Un denn gäng’s ower lus, in schännsten Takt  – pfatsch, patsch, pfaaatsch! daß än Hären un Sahn verging.

Bild

De Kenigswoch war zu End gegangen; äne ganze Woch‘ hatte es Hannoversche Königshaus unter seine liehm Harzer verweilt; se hatten sich känne gelarnt. Su ruhig un sicher wie in sein‘  ahngeschtammten Ferschtenschloß in Hannover hatte dr Landesvater do in Amthaus sei Haupt niederlehng känne. Un do waren de Harzer ahch schtols drauf. Dr Kenig hatte mt seiner ganzen Familig viel Fräd‘ bei uns erlabt, un wenn ’ne ahch es Ahnglicht, de herrlichste Gottesgab, versaht war, so hottersch doch in jeder Schtunne vermumme, wie ne seine Harzer Landskinner zugethan waren.

An Mittwoch den 8. Oktober verließen unnre Gäst Clasthol wieder un fuhren nohch Blankenburg zu, wu se dn Herzog Wilhelm von Braunschweig, ihren huhng Verwandten, än Besuch zu machen gedachten. Dr Obschied war of bäden Seiten harzlich un aufrichtig. Ä lautes tausendschtimmig „Glick auf!“ im „Of Wiedersahn!“ tente noch hinter de Wohngs har ….

Aus: Erinnerunge aus alter Zeit. Von än alten Clastholer. Erschter un Zwäter Thäl. Sonderabdruck aus den „Öffentlichen Anzeigen für den Harz“, Clausthal (Pieper’sche Buchdruckerei – Bruno Reiche) 1907, Erschter Thäl, S. 31ff.

Abb.: Georg V., König von Hannover, seine Frau Marie von Sachsen-Altenburg und die Kinder Kronprinz Ernst August, Prinzessin Friederike und Prinzessin Marie, Druck der Hof- und Steindruckerei Julius Giere, Hannover, Datum unbekannt, vermutl. 1854 – 1856,
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