
Vier Ringe, ca. 3,5 cm D., mit Krampen, zur Befestigung von Leinen. geschmiedet, vermutlich 18. Jh., aus dem ehem. Bormannshaus, Buntenbock i. Oberharz
Die Ringe. Irgendwann entdeckte ich sie als Kind in den Ecken der Großen Kammer, dem größten Raum des Bormannshauses in Buntenbock. Von meiner Großmutter erfuhr ich, dass sie ursprünglich durch Leinen miteinander verbunden waren. Auf ihnen seien die Pferdedecken zum Trocknen ausgehängt worden, damals zur Zeit der Fuhrherren.
Meine Neugier entdeckte im Laufe der Zeit noch weitere Spuren aus dieser Zeit in dem geräumigen Fuhrherrenhaus. Die Bezeichnungen einiger Räume wie „Heuboden“, „Haferkammer“ und „Pferdestall“ oder Plätze wie die „Remise“ oberhalb des Hauses am Berghang, erinnerten an die ursprüngliche Bestimmung, Ausstattung und Funktion des Gebäudes und seiner Räume.
Aber auch die Inneneinrichtung des Bormannshauses ließ Rückschlüsse auf seine Bewohner und ihr Selbstverständnis zu: Das Zinnbord mit seinen Leuchtern, Kannen und Tellern oder die Möbel aus dem Biedermeier verwiesen auf den früheren Wohlstand der Fuhrherren und ihr ausgeprägtes Standesbewusstsein. Dieses muss wohl so stark ausgeprägt gewesen sein, dass, so wurde erzählt, die Töchter des letzten Fuhrherren keinen Partner fanden, weil sich keine standesgemäße „Partie“ ergab.
Auf der Diele, dem Eingangsbereich des Bormannshauses hing, seit ich denken kann, eine Fotografie aus dem Jahre 1889. Die Szene ist in diesem Blog beschrieben. Das Foto verweist auf die enge Verbindung zwischen Köhlerei und Fuhrunternehmen im Dienste des Bergbaus. „Kohlenfuhrherr“ gab ein Vorfahr einst zu seiner Person an. Denn ihm oblag der Transport von Holzkohle aus dem Wald zur Hütte.
Neben dem Transport von Kohle gab es aber noch weitere Arten von Fuhren, die von den Buntenbocker Fuhrherren und ihren Fuhrleuten transportiert wurden: Eisenstein, Holz und wahrscheinlich auch andere Waren, die auf dem Rückweg von dem Auftragszielort mitgenommen werden mussten.
Mich beschäftigt seitdem die Frage: Wie haben die Fuhrunternehmer, die sich stolz „Fuhrherren“ nannten, gelebt? Näherhin: Wie sah ihr Alltag aus? Woher stammen sie? Warum haben sie sich um 1600 in dem Dorf Buntenbock niedergelassen und dieses Dorf maßgeblich geprägt?
Ich habe in diesem Blog schon einige Dokumente zusammentragen. „Fuhrherren Museum Buntenbock“ habe ich dieses Projekt genannt. Es ist ein virtuelles „Museum“, das einen Gang durch die Geschichte der Fuhrherren von Buntenbock ermöglichen soll. Ob es jemals ein Museum in dem Fuhrherrendorf Buntenbock geben wird, zumindest einen Raum, der über diese Zeit informiert? Wer weiß, vielleicht ist es schon viel, die Erinnerung daran in diesem virtuellen Raum festzuhalten. Denn, obwohl heute die „Alte Fuhrherrenstraße“ in das Dorf führt, verschwinden langsam die letzten Zeugnisse dieser Epoche.
In den 60er und 70er Jahren wurden etliche Fassaden der Fuhrherrenhäuser Buntenbocks bis zur Charakterlosigkeit „modernisiert“, die typische Raumaufteilung der Gebäude nach und nach aufgelöst. Nun ist ein Wohnhaus in der Regel kein Museum und sollte den Ansprüchen der jeweiligen Bewohnerinnen und Bewohnern genügen. Es schadete aber nichts, einmal innezuhalten und zu überlegen, ob die historische Aufteilung und Abmessung der Räume nicht sinnvoller, z. B. energiesparender war, als es dem geschichtslos drauf los renovierenden Zeitgenossen heute vorkommen mag.
Die Bilanz meiner bisherigen Arbeit lässt sich kurz zusammenfassen: Die Existenz des Fuhrherrendorfs Buntenbock verdankt sich wesentlich dem Bergbauboom des 16. Jahrhunderts. Die günstigen, durch die Bergfreiheiten garantierten, wirtschaftlichen Verhältnisse zogen eine Anzahl von Fuhrleuten aus dem Umland des Harzes an. Diese ließen sich auf dem Harz dauerhaft nieder und übernahmen die notwendigen Transporte im Bereich der Montanwirtschaft: Kohlenfuhr, Holzfuhr und Erzfuhr. Hinzu kam der Transport von Verbrauchsgütern für die Bevölkerung des Oberharzes. Die Fuhrherren entwickelten eine eigentümliche Kultur mit einem eigenen Standesbewusstsein.
Es hat sich für die Betreiber der Bergwerke und die Landesherren gerechnet und für die Fuhrherren gelohnt, diese Fuhrbetriebe auf ein bestimmtes Maß zu begrenzen und durch Konzessionen und Privilegien dauerhaft an sich zu binden. Wer die Familienbücher von Buntenbock durchblättert, findet immer wieder dieselben Familien aufgeführt, die meist untereinander heirateten und sich auch so in diesem Gewerbe behaupteten.
Wie stark und auf welche Weise rechtlich abgesichert diese Verbindung war, muss noch erforscht werden. Jedenfalls wurden in dem aufschlussreichen Briefwechsel mit den preußischen Behörden zwischen 1868 und 1870 die einstigen Privilegien letztlich als rechtlich unwirksam betrachtet.
In die Zeit nach der Übernahme der Leitung des Oberharzer Bergbaus durch die Königliche Preußische Berginspektion ab 1866 fällt die Phase des Niedergangs des Buntenbocker Fuhrgewerbes. Im Laufe der Entwicklung wurde der Bergbau immer kostenaufwändiger. Die wichtigsten Transporte wurden von der Eisenbahn übernommen. Die Konkurrenz der nebenberuflich tätigen Fuhrleute aus dem Harzvorland, die die Fuhrherren im Vergabeverfahren regelmäßig erfolgreich unterboten, war ein weiterer Faktor. Die Freiheit, die einst die Entwicklung des Fuhrwesens im Oberharz begünstigte, bedeutete letztlich auch ihr Ende.
Dies ist nur eine grobe und möglicherweise noch sehr ungenaue Skizze. Die komplexen Zusammenhänge, die bei näherer Beschäftigung mit dem Thema sichtbar werden, verdienen eine ausführlichere Darstellung. Welche Schlüsse und Vergleiche daraus für unsere Zeit gezogen werden können, wird sich zeigen. Ich freue mich jedenfalls über das Interesse an diesem Thema und über jeden Wink, der zur besseren Darstellung beitragen kann.
„Langet Verhalen maket marohe Pere“

Ring für die Befestigung von Leinen zum Trocknen der Pferdedecken, Große Kammer, Bormannshaus, Buntenbock 2006.
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