Wie wohlhabend war ein Buntenböcker Fuhrherr?

Von Anneliese Vasel*

Wer über die Vergangenheit des früheren Fuhrherrendorfes Buntenbock berichtet, vergißt selten zu erwähnen, daß man hier in der Bevölkerung mehr Wohlhabenheit angetroffen habe als in den meisten Bergstädten des Oberharzes. Nun gehört die Wohlhabenheit zu jenen Begriffen, die sich nur schwer objektiv definieren lassen, da sie sich immer nur bezogen auf das jeweilige soziale Umfeld beschreiben läßt.

Was also mag vor rund 150 Jahren ausschlaggebend gewesen sein, die meisten Buntenböcker als wohlhabend zu bezeichnen. Am besten läßt sich das wohl anhand von Testamenten und Nachlässen aus jener Zeit ablesen. Doch die werden selten über einen solch langen Zeitraum in den Familien aufgehoben. Daß ein derartiges Dokument in Buntenbock bei seiner Wiederentdeckung nach vielen Jahren nicht achtlos beiseitegelegt wurde, verdanken wir der Aufmerksamkeit einer jungen Hausfrau.

Frau Marianne G. fand vor einiger Zeit bei Aufräumungsarbeiten auf dem Boden des ehemaligen Kellner-Hauses einen ausführlich aufgelisteten Nachlaß des 1820 verstorbenen Fuhrherrn Heinrich Andreas Gärtner. Über den damals Verstorbenen ließ sich folgendes herausfinden. Er war 1787 in Buntenbock als 7. oder 8. Kind der Eheleute Johann Christian und Maria Magdalena Gärtner geboren. Nach dem elterlichen Testament übernimmt er als sehr junger Mann am 23. 4. 1810 das Haus, das zwischen dem Kellner- und dem Schulzen-Haus liegt, mit „Pferden und Geschirr“ für fast 1600 Taler, die er an fünf noch lebende Geschwister auszahlen muß. Ein Jahr danach heiratet er die Tochter Johanne Dorothee Christiane des Papiermüllers Später aus Osterode. Die Ehe ist nur von kurzer Dauer, denn schon 1820 stirbt Heinrich Andreas Gärtner und hinterläßt eine junge Witwe mit drei kleinen Kindern. Als die sich dann 1822 entschließt wieder zu heiraten, wird eine Liste des gesamten Besitzes ihres verstorbenen Ehemannes zusammengestellt. Die Lösung des Rätsels, wie das Gärtnersche Dokument irgendwann ins benachbarte Kellner-Haus gelangt sein kann, liegt vielleicht darin, daß eine Tochter des Verstorbenen im Jahre 1848 in dieses Haus einheiratete, als sie die Frau des Rademachermeisters Christian Kellner wurde.

Nach diesen kurzen biographischen Daten soll nun der Einblick in die Besitzverhältnisse des Heinrich Adam Gärtner etwas Aufschluß darüber geben, wie er und seine Familie gelebt haben könnten.

Zunächst einmal ist er Besitzer eines Hauses, zu dem ein Stall und eine Wiese gehörten. Beides wird mit 1600 Talern angegeben, wobei der Wert der Wiese genauso hoch eingestuft wird wie das Haus. Genauso wichtig für seine Existenz als Fuhrmann war der Besitz von Pferden, Wagen und Schlitten. In der Liste sind denn auch vier Hengste, drei Kohlekarren, zwei alte Sturzkarren, acht Schlitten, ein Wagen, ein „Rentschlitte“, ein Holzkarren und etliches Geschirr aufgeführt. Alles zusammen wird mit 280 Talern veranschlagt.
An weiterem Vieh besaß er nur eine Kuh, acht Hühner und einen Hahn.
Unter der Rubrik „Hölzernes Gerät“ finden wir das Mobiliar des Hauses: Kleiderschrank, zweischläfernes Bett, einschläfernes Bett, Eßschrank, Wanduhr, Spiegel und ein runder „tannerner“ Tisch, dazu drei kleine Brettstühle und ein Spannstuhl. Zu dem hölzernen Gerät gehörten natürlich auch die drei Butterfässer, eine Käsebank, eine Teigbutte und eine Zeugrolle, die wir heute als Haushaltsgerät zählen würden. Auch 2 Karren Schindeln wurden in dieser Gruppe gezählt, so daß alles „Hölzerne“ mit 19 Talern 26 Groschen zu Buche schlug.

Der andere Teil des Hausrates, mit dem die Hausfrau des Heinrich Andreas Gärtner vor 150 Jahren viele Nahrungsmittel selbst herstellte, findet sich unter den Geräten aus Zinn, Kupfer, Messing und Eisen, sowie unter den Hochzeitsgeschenken aufgeführt. Dazu gehören 25 Milchtöpfe, drei Steintöpfe, ein Kaffeebrenner und ein Mörser. Auch acht „porizlane“ Teller, sechs Kaffeetassen und vier Suppenschalen, vier Teller und fünf Leuchter aus Zinn werden hier gezählt.
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In der Küche wird sie auch die Kessel aus Kupfer und Messing, die Eisentöpfe und das Plätteisen benutzt haben. Sogar ein Posten von Nahrungsmitteln, nämlich Speck und Wurst, findet man hier. Ja, macht den sehr hohen Wert von 9 Talern aus.

Man erfährt aus dem Nachlaßschreiben auch, wie sich der Fuhrmann Gärtner kleidete. Er konnte zwischen drei verschiedenen bis zum Knie reichenden Hosen wählen. Die Auswahl an Hemden war doppelt so groß. Im Winter wärmten ihn im Haus zwei Camisole*.
Ein Überrock mußt ihn draußen vor der Kälte schützen. Der Festtagsstaat bestand aus einer scharlachroten Weste mit 16 silbernen Knöpfen und silbernen Schuh- und Knieschnallen, sowie einigen silbernen Hemdknöpfen. Weiter findet man eingetragen einen alten Hut und ein paar Stiefel. Warum aber auch ein Kleid der Ehefrau zum Nachlaß des Verstorbenen gehörte, bleibt unklar. Immerhin ist es soviel wert wie gewesen wie sechs Mannshemden zusammen, nämlich 6 Taler. Unter den ganz persönlichen Dingen fällt ein einziger silberner Eßlöffel im Wert eines Talers auf.

Die Höhe seines Gesamtvermögens, wobei selbst der Wert von Heu und Mist (31 Taler) berücksichtigt wurde, belief sich auf 1974 Talern und 26 Groschen. Dem stand eine Schuldenlast von 1493 Talern und 26 Groschen gegenüber, die dem Heinrich Andreas Gärtner aus der Auszahlung seiner Geschwister erwachsen war.

Sicherlich fällt es uns heute schwer, die Lebensumstände der Familie Gärtner des Jahres 1820 als besonders komfortabel anzusehen. Und doch sind sie das im Vergleich zu denen vieler Bergmannsfamilien des Oberharzes gewesen. So konnten sie beispielsweise als Familie das ganze Haus alleine bewohnen. Einige Grundnahrungsmittel mußten nicht gekauft werden, sondern wurden von der Hausfrau selbst hergestellt. Das Futter für die Pferde war durch die Bergbehörde immer gesichert. Dazu kamen andere Vergünstigungen für die Fuhrbetriebe, auf die hier jedoch nicht eingegangen werden soll. Schließlich sollte man auch nicht übersehen, daß mit der Möglichkeit, Pferde zu halten, eine größere Mobilität für die Familie verbunden war.

* Anneliese Vasel, geb. Bormann (1938 – 1991), selbst Nachfahrin einer Buntenböcker Fuhrherrenfamilie, gehörte zu den ausgewiesenen Kennerinnen der Geschichte Buntenbocks. In zahlreichen Veröffentlichungen hat sie ihr Wissen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Text wurde freundlicherweise von ihren Nachkommen zur Verfügung gestellt: Ein herzlicher Dank an dieser Stelle! Er ist auch erschienen unter: Vasel, Anneliese; Wie wohlhabend war ein Buntenbocker Fuhrherr?; Allgemeiner Harz-Berg-Kalender, Clausthal-Zellerfeld (Ed. Piepersche Buchdruckerei und Verlagsanstalt) 1988, S.64-66.

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