Wohlfeiler als Tabaksqualm

Nachrichten. Briefe über den Musikzustand von Rußland und besonders von Moskow. Erster Brief.

— — Glückliches Land, dessen Bewohner Liebhaber von Musik und Gesang sind, diese beyde Gaben als wohlthätige Geschenke des Himmels betrachten , und sich von ihnen durchs Leben begleiten lassen ; denen ein frohes gutes Volkslied oft zum Mithelfer bey schweren Tagsarbeiten wird, und deren Gesang und Saitenspiel jedes kleine Fest verherrlicht! Diese Freunde von Musik und melodischem Gesang sind die Russen. Wer in Petersburg gewesen , wird schon anfänglich sehr angenehm überrascht worden seyn, eine Clique Matrosen längst der Newa fahren zu sehn, die den Schlag ihrer Ruderstäbe mit recht artigen Chören, von 8 auch 13 stimmigen Chören oder auch mit sehr naiven Liedern begleiten. Der Nationalgeschmack will größtentheils Sätze aus Molltönen. Die Art ihres Vortrags bey allen hat etwas Feines , daß man nothwendig gezwungen wird, das natürliche Talent dieser Leute zu bewundern, und diesen Wasserbewohnern, bey aller Eile, die man haben kann, ein Viertelstündlein nach dem andern zu schenken. Noch bedienen sie sich einer Art kleinen Horns zum Akkompagnement. Der Umfang dieses Instruments beträgt eine Oktave. Ich kann nicht so ganz behaupten, daß der Gesang dabey etwas gewinne; denn wenn der Instrumentalist nicht sehr bescheiden seine Ragoke behandelt, so kömmt etwas von einem Pfauen-Ton heraus, der denn freylich nicht der angenehmste ist. Auch Fuhrleute, besonders wenn sie in großen Karavanen reisen, verkürzen sich ihren Weg mit Gesang, (welches denn auch, neben bey gesagt, nicht nur angenehmer, sondern auch wohlfeiler ist, als der deutschen Fuhrleute ewiges Tabaksrauchen.

Zigarrenetui, zweiteilig, Leder, 13,5 x 6,5 x 3 cm, Herkunft Großbritannien, vermutl. Ende 70er Jahre des 19. Jh. m. Prägung im Oval: Wappen des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Irland sowie Firmenname F. C. Hathaway.  Widmung in Goldprägung: "Den 11. Juni 1879." - vermutl. anlässl. d. Feier der Goldenen Hochzeit von Kaiser Wilhelm I. und Kaiserin Augusta zu Berlin. Vermutl. aus dem Nachlass Heinrich Carl Wilhelm Bormann 1824 - 1894, Bormann Archiv Ottensen.

Zigarrenetui, zweiteilig, Leder, 13,5 x 6,5 x 3 cm, Herkunft Großbritannien, vermutl. Ende 70er Jahre des 19. Jh. m. Prägung im Oval: Wappen des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Irland sowie Firmenname F. C. Hathaway.
Widmung in Goldprägung: „Den 11. Juni 1879.“ – vermutl. anlässl. d. Feier der Goldenen Hochzeit von Kaiser Wilhelm I. und Kaiserin Augusta zu Berlin.
Vermutl. aus dem Nachlass Heinrich Carl Wilhelm Bormann 1824 – 1894, Bormann Archiv Ottensen.

Ihre Art zu singen ist aber ganz von dem Gesang der erstem unterschieden. Sie bedienen sich einer fugenähnlichen Manier. Einer fängt das Thema immer an, und wird um einige Takte später vom zweуten unterstützet, und so gehet es denn der Reihe nach fort. Canon oder Fuge ist es freylich eigentlich nicht: wie sollten auch diese Leute dazugekommen seyn, da blos Natur und frohe Laune ihre Lehrmeister waren ? Weil sie aber alle so geschickt dem ewigen Unisono in ihren gesellschaftlichen Gesängen auszuweichen verstehen, so wird man darin einen neuen Beweis finden müssen, daß diese Nation mit vieler Anlage zur Musik gebohren sey: denn gute Volksmelodien scheinen mir eben so sicher ein Beweis von Naturtalent zu dieser Kunst zu seyn, als feine, scharfsinnige Volkssprüchwörter von Anlage zum Witz. Auch in diesem Punkte, obgleich er nicht hierher gehört, muß ich den Russen rühmen. Er hat in seiner Sprache eine sehr große Anzahl solcher Sprüchwörter, bedient sich der selben bey allen Gelegenheiten sehr gut , und kann darum auch für witzig erklärt werden. Da der gemeine Russe schon so empfänglich für Gesang ist, so ist es wohl ganz natürlich, daß die kultivirte und höhere Klasse es noch seyn müsse; und daß diese beym Singen nicht allein stehen bleibe , sondern auch voll Verehrung der Instrumentalmusik sey, werde ich in der Folge zeigen. …

Kesler in: Allgemeine Musikalische Zeitung. Dritter Jahrgang vom 1. Oktober 1800 bis 23. September 1801. Leipzig bei Breitkopf & Härtel, Sp. 656f.

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