
„Fuhrmannsleben.“ Holzstich nach Ernst Fröhlich 1849. Münchener Bilderbogen Nr. 24. – 11. Auflage
Ein Ueberfall.
Die sogenannte Fuhrmannsstube in dem Wirthshause war die gewöhnliche Wirthsstube, die für andere Gäste, als Herrschaften, bestimmt war. Diese anderen Gäste waren meist Fuhrleute, daher der Name.
Es war ein großes geräumiges Zimmer, mit vielen Tischen und Bänken und hölzernen Stühlen darin. Sie lag links am Hausflur und hatte der Eingangsthür gegenüber eine zweite Thür, durch die man unmittelbar in den daneben gelegenen Pferdestall gelangte. Die Fuhrleute mußten immer so nahe wie möglich bei ihren Pferden sein. Des Nachts schliefen sie sogar in dem Pferdestalle.
Der Abend war schon völlig hereingebrochen. In der Fuhrmannstube brannten zwei Talglichter. Sechs Fuhrleute, der Bergmann und ein Hausknecht hatten sich darin befunden, als der Wirth dem Polizeibeamten das Zimmer hatte zeigen müssen.
Die sechs Fuhrleute waren nicht mehr da. Sie hatten ihr Abendessen verzehrt und waren darauf schlafen gegangen, in den Stall nebenan, zu ihren Pferden. Der Bergmann und der Hausknecht waren noch da. Zu ihnen war ein Dritter gekommen, der Student Rosner.
Der Hausknecht war hinter seinen Schnapsflaschen und Bierkrügen eingenickt. Der Bergmann saß an einem Tisch allein, vor einem der brennenden Talglichter und vor seinem Glas Bier, das er noch immer nicht geleert hatte.
Rosner saß an einem andern Tische, vor dem zweiten Talglichte und vor einem Schoppen Landwein, den er beinahe geleert hatte. Er blickt still vor sich hin. Der Bergmann warf auf ihn Seitenblicke. Rosner bemerkte sie nicht, er verrieth wenigstens nicht, dass er sie bemerkte.Der Bergmann stand endlich auf. Rosner erhob sich halb, wie um gleichfalls aufzustehen. Außer Augen hatte er also den Bergmann nicht gelassen …
Erzählungen von J. D. H. Temme; 3. Band, Flüchtlingsleben, Leipzig 1868, 78f.