geheimnisvoll – so ganz anders

Illustrierte Zeitung, Leipzig, Berlin, Wien, Budapest, New York, Bd. 43, 3. September 1864, S. 160.

Illustrierte Zeitung, Leipzig, Berlin, Wien, Budapest, New York, Bd. 43, 3. September 1864, S. 160.

 

Über die Aufwartung anlässlich des Besuchs König Georg V. von Hannover (1851 -1866) im Oktober 1856.

„Jedesmal wenn eine Fürstlichkeit oder ein Minister den Harz besuchte, ehrte sie die Knappschaft mit einer Aufwartung. Dieses Mal wurde alles aufgeboten, was zum Bergwerke gehörte.

Auf dem geräumigen Marktplatz zwischen der eigentümlich anheimelnden hölzernen Kirche und dem langgestreckten kahlen Amtshaus zogen mehrere tausend Bergleute mit grünem Schachthut, schwarzem Kittel, blanken Hinterleder und hohen Gamaschen, das brennende Grubenlicht am Daumen, in Reih und Glied auf. Dazwischen Locharbeiter mit ihrem Gerät, dann die Hüttenleute mit breiträudiger Mütze, in weißem Hemd mit gelbem Schurzfell, die brennende Fackel in der Hand. Das Bergmusikkorps blies. Die Knappen sangen:

Glück auf ihr Bergleute, jung und alt

Ein hoher Bergbeamter versicherte dem König die Liebe und Treue seiner Harzer. Ein brausendes Hoch rauschte zu ihm empor. Die Lichter leuchteten, wie wenn Tausende von Sternen auf den Marktplatz gefallen wären. Und nun kam das Schönste für uns Jungen.

In einem Dachfenster des Amtshauses blitzte ein Licht auf, und sofort knallten mehr als hundert Peitschen, die gut eingeübt waren, ihren Fuhrmannsgruß los. Dieses Klitsche Klatsche – das war der ganze Text – erschien uns wie die wunderbarste Musik. Die Bergfuhrleute standen in ihren Schirmmützen, schneeweißen langen Kitteln und langen grauen Gamaschen, nördlich von der Kirche in tiefstem Dunkel. Das war doch noch geheimnisvoll, so ganz anders wie die Leute da draußen im grellen Licht. Wenn die Laterne da oben im Rathaus eingezogen wurde, verklang das Peitschenkonzert, wie ein gut geriebener Salamander, scharf und knapp. Für uns war damit der Höhepunkt vorüber.

Der König redete noch, ich weiß aber nicht was. Wieder Musik, Gesang, Hochrufen, und der Zauber verschwand.

Was für eine Komödie! Immer wieder hörte ich, wie ein Bergmann zum andern sagte: „Dar arme Karren! von all dan Gelacht kann er nicht sahn.

Als der König Clausthal verließ, hatten wir uns oben an der Buntenböckerstraße – er wollte nach St. Andreasberg fahren – aufgestellt. Ein altes Harzweib rief:

Ach, Harr Kenig, kumme Se doch balle mol wieder!“
Ja, ja, ich komme wieder! entgegnete er, indem er sich im Wagen aufrichtete.

Er ist nie wiedergekommen.“

 

Aus: Adolf Ey, Bekenntnisse eines alten Schulmeister, Berlin 1914, S. 47f.

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Ein Peitschenconcert wie Kartätschenfeuer

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Aufwartung beim Bergfeste zu Clausthal. Ansicht mit Teilansicht der Stadt. – Holzstich nach Geißler, 1864.

Nicht weniger interessant war am Abend die bergmännische Aufwartung, bei welcher wieder in bester Ordnung alle Berg-, Poch- und Hüttenleute, letztere, wie die Fuhrleute, in weißen Kitteln, ferner Turner und Singvereine im Scheine unzähliger Grubenlichter und Fackeln, mit Fahnen und Emblemen vor dem Amtsgebäude des Ortes erschienen. Etwas ganz Originelles bot ein wie Kartätschenfeuer knatterndes Peitschenconcert der Harzer Fuhrherren und ihrer Knechte, die auf ein mit einer Laterne am Dache des Amthauses gegebenes Zeichen präcise einsetzten und eben so gut pausirten, wenn das Licht verschwand. Imposant war auch der Eindruck, welchen die von den Bergleuten bei den Festgesängen emporgehobenen Grubenlichter machten: der große Platz wurde zu einem Lichtmeere. Der Schluß der großartigen Scene zeigte, wie ihr Beginn und Verlauf, die beste Ordnung, und bald waren die letzten Grubenlichter in der dunklen Ferne verschwunden. Man ahnte auf den stillgewordenen Straßen nicht, welche Lebenslust und Munterkeit dem Harzer innewohnt, aber sie kam am folgenden Tage zum Durchbruch.

Zitat aus: Ein unterirdischer Riesenbau im Oberharze, Gartenlaube, Heft 36, 1864 S. 574–576